Von Dietrich Schröder

Das Interesse am Thema ist groß, beiderseits von Oder und Neiße erlebt die Eisenbahn eine Renaissance. „Kommunalpolitiker und Landräte bestätigen mir, dass sie selbst überrascht sind, wie die Bahnlinien auch Investoren anziehen“, sagte Brandenburgs Verkehrsministerin Kathrin Schneider (SPD) bei einem Forum jüngst in Berlin. Bürgermeister und Landräte von der Uckermark bis zur Lausitz und aus Polen nahmen teil. Doch gerade der Ausbau kleinerer Strecken steht bisher nicht im Bundesverkehrswegeplan, weil die „Regularien nun einmal so sind wie sie sind“ und „die Elektrifizierungsabschnitte alle durch die Wirtschaftlichkeitsprüfung gefallen“ seien. Mit solchen Worten bremst der Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium Enak Ferlemann (CDU) Erwartungen.

Doch nachdem Berlin und Brandenburg 2018 eine Sondervereinbarung mit dem Bund zur Strecke zwischen Angermünde und Stettin erreicht haben, bei der auch EU-Mittel zum Einsatz kommen sollen, will man jetzt Ähnliches für andere Strecken versuchen. „Wir werden zunächst in einem Interreg-Projekt mit unseren polnischen Partnern die Potenziale der einzelnen Strecken gemeinsam untersuchen“, kündigte Ministerin Schneider an. Hier ein Überblick über die einzelnen Strecken:

Berlin-Angermünde-Stettin: Derzeit gibt es bis zu neun Regionalverbindungen pro Tag, zum Teil mit Umstiegen in Angermünde. Positiv ist, dass die VBB-Tickets auch im Stettiner Stadtverkehr gelten. Das Problem: Der 27,5 Kilometer lange Abschnitt zwischen Passow (Uckermark) und der Grenze ist eingleisig und nicht elektrifiziert. Nachdem Brandenburg und das Land Berlin jeweils 50 Millionen Euro zuschießen wollen, soll der gesamte Abschnitt ab Angermünde modernisiert und zweigleisig elektrifiziert werden. Das Baurecht dafür soll ab 2021 vorliegen. Fertigstellungstermin ist 2026.

Berlin-Küstrin-Gorzów (die „Ostbahn“): Wichtigstes Ziel des deutschen Streckenbetreibers Neb ist derzeit, dass die in Polen gekauften neuen Wagen nach ihrer Zulassung in Deutschland endlich eingesetzt werden können und sich so die Platzkapazität der Züge deutlich erhöht. Ab Ende 2022 soll es zwischen Berlin und Müncheberg einen 30-Minuten-Takt geben. Die Elektrifizierung und der durchgehende zweigleisige Ausbau der deutschen Strecke wird vom Bund bisher abgelehnt.

In Polen ist die Strecke schon zweigleisig, derzeit läuft eine Studie über eine mögliche Elektrifizierung. „Für uns ist die Strecke wichtig, weil Polen damit ins Zentrum Berlins und bis zum Flughafen BER fahren können“, betont das Vorstandsmitglied der Wojewodschaft Lebuser Land, Tadeusz Jedrzejczak.

Berlin-Frankfurt(Oder)-Posen-Warschau: Derzeit verkehren fünf Eurocity-Züge pro Tag und Richtung, die von der DB Fernverkehr und der PKP betrieben werden. Außerdem fahren zwei EC über Posen nach Danzig und Gdynia. Nach Abschluss von Bauarbeiten in Polen soll sich die Zahl der EC Ende 2019 oder 2020 erhöhen. Außerdem sollen dann auch neue Waggons eingesetzt werden. Für Regionalzüge zwischen Posen und Frankfurt (Oder), die in früheren Jahren getestet wurden, scheint es derzeit in Polen keine Lobby zu geben.

Berlin-Frankfurt(Oder)-Zielona Góra: Derzeit besteht nur eine durchgehende Verbindung zwischen Berlin-Lichtenberg und Zielona Góra. Weil in Polen die Strecke zwischen Stettin und Breslau modernisiert wurde, können seit Dezember 2018  zwei Nachtzüge der Österreichischen Bundesbahn und der PKP von Berlin über Breslau nach Wien beziehungsweise Krakau und Przemysl sowie in der Gegenrichtung fahren.

Cottbus-Guben-Zielona Góra: Diese Strecke wird in Polen derzeit nur noch von Güterzügen befahren. Die polnische Seite wünscht den Ausbau bis zur Neiße, hat dafür aber keine Mittel aus Warschau.

Berlin-Cottbus-Breslau: Bis auf die „Kulturzüge“ am Wochenende (bei denen es sich um Dieselzüge handelt, die auf zum großen Teil elektrifizierter Strecke fahren) gibt es keinen Fernverkehr zwischen Berlin und Breslau. „Hier brauchen wir Fernzüge, die den Namen auch verdienen“, sagt Verkehrsministerin Schneider. Ideal wären aus ihrer Sicht Fernzüge von Stettin über Berlin nach Breslau und zurück. Das Problem: Zwischen Lübbenau, Cottbus, dem sächsischen Horka und Görlitz gibt es eingleisige oder nicht elektrifizierte Abschnitte, die den Personen- wie auch den Güterverkehr  behindern. Hier besteht inzwischen die Hoffnung, dass im Rahmen der Förderung für den Kohleausstieg auch in die Eisenbahn-Infrastruktur investiert wird.