In fünf Wochen ist einer der wichtigsten Atomverträge dieser Welt Geschichte, und Europa verliert mit dem INF-Vertrag eine seiner wichtigsten Sicherheitsgarantien. Die Aufrüstung Russlands und die Kündigung des Vertrags durch die USA zeigen: Es gibt keine ewige Sicherheit.
Es scheint unwahrscheinlich, dass das Abkommen, das die USA und Russland 1987 geschlossen haben, noch zu retten ist. Keine der beiden Seiten will künftig auf bodengestützte atomare Mittelstreckenraketen verzichten. Und die Europäer, die der Vertrag am meisten betrifft, haben wenig entgegenzusetzen.Der hilflose Appell der Nato-Außenminister an Russland, seine SSC-8-Raketen abzurüsten oder das Flehen einiger Europäer gen Washington, den Vertrag nicht zu kündigen, zeigen die Machtlosigkeit des Kontinents, der im Kriegsfall zum Schlachtfeld werden würde.
Bei allem Lamento geraten aber drei Dinge aus dem Blick. Erstens: Die Abschreckung funktioniert. Die Wahrscheinlichkeit, dass Russland es mit 29 Nato-Armeen darunter drei Atommächte aufnehmen will, ist äußerst gering. Im Übrigen gibt es längst atomare Mittelstreckenraketen in Europa nur, dass sie nicht vom Boden, sondern von Flugzeugen und U-Booten abgefeuert werden.
Zweitens: Die Zeiten ändern sich. Die Ära, in denen sich zwei politische Blöcke gegenüberstanden und ihre Hauptmächte stellvertretend Abkommen aushandelten, sind vorbei. In Ermangelung mächtiger Bündnispartner sucht Russland die Nähe zu den USA und der aufstrebenden, aufrüstenden Weltmacht China.
Drittens: Die Bedrohungen der Zukunft sind andere. Zwar erscheinen nukleare Mittelstreckenraketen als Abschreckung nützlich, da sie die Möglichkeit eines begrenzten Atomangriffs vorgaukeln. Aber die Kriegsführung per Cyberwaffen und künstlicher Intelligenz ist viel effizienter. Die Nato nimmt deshalb auch den Weltraum ins Visier, um Satelliten vor Hacking und Störungen zu schützen.
Unter diesen Vorzeichen sind Rufe nach Abrüstung zwar gut gemeint, aber da das Vertrauen zwischen Washington, Brüssel und Moskau momentan auf einem Tiefpunkt ist, dürfte es kaum Spielraum für Verhandlungen geben. So schwer es dem friedlichen Kontinent fällt Europa ist gezwungen, der Spielball der großen Weltmächte zu sein. Bis es eines Tages militärisch auf eigenen Füßen steht. [email protected]