Emil Nolde vom verehrten Maler, dessen Gemälde selbst das Kanzleramt aufwerteten, zum verachteten Nazi. Ein steiler Absturz in diesen Tagen. Wer Noldes Kunst sieht, kann (fast) nichts entdecken, was eine Nähe zum Nationalsozialismus nahelegt. Viel Blumen, viel norddeutsche Landschaften mit Meer, viel Christliches in kräftigem Gelb und Rot. Der Mann selbst aber war ein durchaus schwieriger Charakter in einer Zeit, die vielleicht mehr als andere Haltung und Moral verlangte.
Vieles von dem, was Nolde jetzt vorgeworfen wird, ist nicht neu. Manch Detail schon, auch manche antisemitische Zuspitzung. Auch dass der Maler im Licht erst seit wenigen Jahren frei zugänglicher Papiere hinterfragt wird, ist normal. Wer wollte, wusste aber schon länger, dass Nolde nicht der verfolgte Maler war, zu dem er sich stilisierte.
Juden lehnte er ab was wie bei vielen seiner Zeitgenossen ideologisch-rassisch-religiöse, aber bei ihm auch künstlerische Gründe hatte. Der Expressionist pflegte eine ausgeprägte Feindschaft zu Max Liebermann, dem Impressionisten, dem Juden, dem Präsidenten der Preußischen Kunst-Akademie. Malerisch trennten beide Welten. Liebermann konnte aber dafür sorgen, ob Bilder ausgestellt und verkauft wurden. In diesem Konflikt um Kunst und Geld hatte Nolde allerdings auch keine Skrupel, den Juden Liebermann anzufeinden. Auch dass Nolde sich als der deutsche Maler sah und als solcher auch der Nazi-Spitze anbiederte, ist nicht neu. Offenbar aber, wie stark er sich dies in seiner Biografie zurechtlog.
Warum dann jetzt die ganze Aufregung, dass sogar die Bundeskanzlerin zwei Ölgemälde ein Blumen- und ein Meeresmotiv nicht wieder haben will? Die Nolde-Schau in Berlin fragt über den Maler hinaus, inwieweit wir Kunst und Biografie des Schöpfers trennen oder auch nicht und wie wir, wenn dann unschöne Sachen auftauchen, damit umgehen. Nolde steht damit nicht allein: Genannt seien nur Günter Grass und Erwin Strittmatter oder Michael Jackson und Kevin Spacey. Alles verstecken, abhängen, verbieten, einmotten?
Darüber reden, streiten, er- und aufklären ist die bessere Alternative. Menschen sind sehr selten Helden, sondern eben Menschen mit ihren vielleicht künstlerischen Stärken und charakterlichen und moralischen Schwächen. Im Fall Nolde hätte dann Angela Merkel gerade einem israelischen Premier den Antisemitismus des Malers erklären müssen. Abhängen ist so ziemlich die einfachste Lösung. Wie einfach und dennoch falsch zeigt, dass Merkel jetzt auch auf die nun für ihre Amtsräume vorgesehenen Bilder von Karl Schmidt-Rottluff verzichtet. Ein Zeitgenosse Noldes, Expressionist, auch seine Biografie nicht frei von Antisemitismus.
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