In Berlin-Hellersdorf, in Annaberg-Buchholz und anderswo werden heute 70-Jahre-Partys gefeiert. 70 Jahre DDR. Ist das gruselig oder lustig? Sind die Trabbis, mit denen glückselige Touristen durch Berlin knattern, ein Zeichen von Nostalgie oder Ostalgie? In Berlin gibt es das Restaurant „Volkskammer“ und das Hostel „Ostel“ mit DDR-Design.

Vieles ist harmlos, vieles ist Kitsch. Aber diese und viele andere Beispiele zeigen: Mit zunehmendem Abstand zum verblichenen Arbeiter- und Bauernstaat erscheint die DDR in immer milderem Licht.

Zu der um sich greifenden Verklärung trägt die westliche Sicht auf die DDR nicht unwesentlich bei. Diese wird in der westdeutschen Betrachtung immer kleiner, immer kaputter und immer brutaler. Ein Schandfleck in Europa, der von der Stasi beherrscht wurde. Gern belehren Westdeutsche ihre Brüder und Schwestern im Osten über die Zustände in der DDR. Das führt zu noch mehr Verklärung im Osten. Denn, so die Reaktion,  selbst wenn der Wessi recht hat, ist er im Unrecht.

Dabei lohnt ein ernsthafter  Blick zurück durchaus. Als vor 70 Jahren die Deutsche Demokratische Republik  gegründet wurde, war das Land eine sowjetisch besetzte Zone. Die Besetzung hatten sich die Deutschen ihrer Verbrechen im Zweiten Weltkrieg wegen selbst zuzuschreiben. Der Rest war Alliiertenpolitik, Systemauseinandersetzung. Und der Anfang vom Kalten Krieg. Am Anfang der DDR standen  Unterdrückung, Menschenrechtsverletzungen – aber auch Hoffnungen. Vielleicht, so der unter all der Propaganda durchschimmernde Gedanke, vielleicht war es ja wirklich möglich, etwas Neues aufzubauen. Ohne Profitdruck, ohne Nazis, ohne Kriegsgelüste. „Auf freiem Grund, mit freiem Volke stehen“, wie es Goethe vorschwebte. Denn es waren alte Ideale, die dann schnell über die Wupper gingen: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. Am ehesten wurde noch etwas aus der Gleichheit. Auf vergleichsweise niedrigem Niveau. Statt der Freiheit aber gab es eine Mauer und statt der Brüderlichkeit Dogmatismus und Spitzel. „Verpestet alles schon Errungene.“

Wie es wirklich war, will kaum noch jemand wissen. Weder im Westen noch im Osten. Das Feld wird den professionellen Aufar­beitern überlassen, deren Erkenntnisse höchstens auf Fachtagungen Gehör finden. Viele finden, dass man auch in der DDR ein erfülltes Leben haben konnte. Natürlich konnte man das. Aber es war trotzdem ein Leben in der Diktatur.

An dieser Stelle der Debatte werden gern die Errungenschaften der DDR aufgeführt. Die Gleichberechtigung etwa, das Bildungssystem. Was will man dagegen sagen? Außer, dass die Frauen doppelt schuften mussten, dass Margot Honecker eisern über die wahre Lehre in den Schulen wachte und dass rare Konsumgüter getauscht wurden, als wäre man in der Steinzeit.

Ach ja, eine starke Staatsmacht bot die DDR ihren Bürgern auch. Nach einem starken Staat haben viele Ostdeutsche wieder große Sehnsucht. Deswegen sind sie so verliebt in Putin. So gesehen ist die DDR nicht tot. politik@lr-online.de