Der Tod von George Floyd entsetzt mich auch heute noch zutiefst. Ich habe das Video von der Tat zusammen mit meiner Tochter gesehen. Sie hat mich gefragt, ob das auch bei uns passieren kann. Das schließe ich für meine Kolleginnen und Kollegen bei der sächsischen Polizei aus.
Wir sind als Polizei in Rechtfertigungsdruck geraten. Es geht um Gewalt durch Polizisten. Es gibt Forderungen, Rassismus und Racial Profiling bei der Polizei wissenschaftlich zu untersuchen. Racial Profiling ist per se verboten. Als Polizist sage ich, dass man eine ganze Berufsgruppe, die den Rechtsstaat und unsere Demokratie schützt, damit unter Generalverdacht stellt.
In der Zeit von 2014 bis 2019 gab es 17 Vorfälle innerhalb der Polizei Sachsens im Zusammenhang mit Rassismus - bei 13 000 Bediensteten. Jeder Fall ist einer zu viel. Deshalb stellen wir uns als zentrale Aus- und Fortbildungsstätte dieser Thematik.
Tod von George Floyd: Man muss erschüttert sein
Wer das Video aus den USA gesehen hat, muss erschüttert sein. Die Art und die Dauer dieses polizeilichen Übergriffes sind für mich unbegreiflich. Wir haben als deutsche Polizeibeamte einen klaren rechtlichen Auftrag. Wer Polizist werden möchte, muss sich der Menschenwürde und der Verfassung verpflichten. Das muss jedem bewusst sein, der in den Staatsdienst geht.
Es gibt fundamentale Unterschiede zwischen der Polizei in den Vereinigten Staaten und bei uns. In den USA werden viel häufiger Soldaten in Schnellkursen zu Polizisten ausgebildet. Zudem ist der Anteil an Frauen bei der Polizei in den USA für gewöhnlich deutlich geringer. Diese Faktoren haben Auswirkungen auf die Bewältigung des Einsatzgeschehens.
Rechtsextremes Gedankengut hat keinen Platz in der Polizei
Im Februar haben drei Studenten der Polizeihochschule in Bautzen unter anderem rechtsextreme Parolen gerufen. Die drei Männer mussten die Hochschule unmittelbar verlassen und sind seit Mai dieses Jahres aus dem Polizeidienst entlassen. Rechtsextremes Gedankengut hat keinen Platz in der sächsischen Polizei. Da gibt es keine zwei Meinungen. Wenn jemand auffällig wird – durch Gewalt oder extremistisches Gedankengut – dann gehört das angezeigt.
Wir müssen die Leute stärken, die bei solchen Vorfällen nicht wegsehen und Courage beweisen. Korpsgeist kann da durchaus helfen und reinigenden Charakter entfalten. Das gilt für Führungskräfte und auch für jeden einzelnen. Aber solche Vorfälle zeigen auch, wo wir besser werden müssen.
Wir haben gemerkt, dass wir uns öffnen müssen. Die Diskussionskultur an der Hochschule ist eine andere geworden. Das ist wichtig, auch in einem stark hierarchischen Bereich wie der Polizei. Unsere Kollegen sollen mündige Bürger in Uniform sein. Deshalb wollen wir sie zum gesellschaftlichen, ethischen und politischen Diskurs ermuntern und vor allem befähigen. Getreu dem Motto: Halt hat, wer Haltung hat.
Wir müssen gewissen Grundanfälligkeiten entgegentreten
Ich bin seit über 30 Jahren Angehöriger der sächsischen Polizei und kenne die Hochschule auch als Student. Als ich im Jahr 1995 an der Hochschule im ersten Jahrgang das Studium begonnen habe, hat das Thema Rassismus in der Ausbildung der sächsischen Polizei noch kaum eine Rolle gespielt. Während meiner Dienstzeit war ich mit Rassismus in der Polizei bis zum Februar 2020 nicht konfrontiert.
Es ist möglich, dass die hierarchische Struktur bei der Polizei auch für Einsteiger attraktiv sein kann, die gewisse Grundanfälligkeiten mitbringen. Unsere Aufgabe ist es, dem entgegenzutreten. Es ist mir auch wichtig, dass wir hier auf dem Campus diese Debatte über Rassismus führen.
Das darf aber nicht die vielen Kollegen diskreditieren, die diesen Beruf gewählt haben, weil sie Polizeiarbeit als Berufung sehen. Die ihre Arbeit gut machen und der Gesellschaft etwas zurückgeben wollen. Der Polizeiberuf ist sehr attraktiv, facettenreich und wahnsinnig spannend.
Zur Person
Carsten Kaempf, 51, leitet seit Juli 2019 als Rektor die Hochschule der Sächsischen Polizei, die in Rothenburg/Oberlausitz angesiedelt ist und eine Außenstelle in Bautzen hat. Davor war er Leiter des Referats „Organisation, Planung, Controlling und Strategie der Polizei“ im Innenministerium in Dresden. Kaempf gehörte 1995 zum ersten Jahrgang, der in Rothenburg ein Studium begann. Danach arbeitete er lange für die Polizeidirektion Dresden.