Innerhalb der letzten 200 Jahre hat sich die Weltbevölkerung fast verzehnfacht. Die Folge: ein vergleichbarer Anstieg bei der Nutzung von Energieträgern, der CO2-Emissionen und der Jahresmitteltemperatur. Der daraus sich abzeichnende Klimawandel ist ein existenzielles Problem für die Menschheit und erfordert massive Anstrengungen bei der Entwicklung CO2-armer und -freier Technologien zur globalen Bereitstellung von Strom, Wärme, Mobilität. Diese müssen frei von ideologischem Wunschdenken sein und physikalischen Grundgesetzen folgen.
Deutschland hat bereits 1995 mit dem Ausbau regenerativer, CO2-armer Energien begonnen. Im Gegensatz zu Weltregionen mit großen Wasserressourcen oder Biomasseproduktionen kommt dafür in großem Umfang nur Fotovoltaik und Windenergie infrage. Gefördert durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz wurde die installierte Kraftwerksleistung verdoppelt. Zu rund 100 Gigawatt (GW) durch konventionelle kamen mehr als 100 GW durch regenerative Stromerzeugung. Letztere speist über ein Jahr aufsummiert etwa 40 Prozent der von den Abnehmern verbrauchten Elektroenergie ins Netz ein. Durch mangelndes Verständnis der physikalischen Grundlagen wird so der Eindruck erweckt, dass damit die Hälfte des Weges zu einer CO2-freien Stromerzeugung geschafft sei.  Die sichere Versorgung der Bevölkerung mit Elektroenergie erfordert Planbarkeit und Lagerbarkeit. Gesicherte Leistung beschreibt den Anteil der installierten Leistung in Erzeugungsanlagen (Kohle, Gas, Wind, Solar), auf den zu jeder Minute des Jahres mit Sicherheit zugegriffen werden kann.
Während für die Versorgung Deutschlands mit Erdgas Speicher mit einer Reichweite von Wochen bis Monaten vorhanden sind, liegt die Reichweite der Speicherkapazität im Stromsektor bei wenigen Minuten bis zu knapp einer Stunde. Damit muss die Stromproduktion minutiös der Stromabnahme folgen.
 Die meisten konventionellen Anlagen haben eine gesicherte Leistung von etwa 90 Prozent der installierten Leistung (Biomasse: 65 Prozent, Wasserkraft: 25 Prozent). Bei Fotovoltaik und Windenergie liegen die Werte bei bis zwei Prozent. Damit wird es unmöglich, eine sichere Stromversorgung in Deutschland aufzubauen. Es werden erhebliche technische Anstrengungen im Bereich Speicher, Sektorkopplung und komplementärer Erzeugung notwendig. Leider setzt die Bundesregierung seit mehr als 15 Jahren nicht auf technische Lösungen, sondern auf die Kräfte des Marktes - selbst die Kohlekommission kritisiert das in ihrem Bericht, wenn auch nur auf wenigen Seiten.
 Wenn wir in Mitteleuropa die „kalte Dunkelflaute“ haben und regenerative Erzeugung in Deutschland und Nachbarstaaten nicht liefern kann, müssen Stromlieferungen aus Kern- oder Kohlekraftwerken der Nachbarstaaten kommen, was die deutsche CO2-Bilanz nicht, dafür aber die globale Bilanz belastet.
 Auch der Ersatz der Kohle- durch Gaskraftwerke ist ein Stück Selbstbetrug. Zwar sind die CO2-Emissionen durch die unmittelbare Verstromung bei Braunkohle deutlich höher als bei Gas (und nur das zählt in der Bilanz), nimmt man aber die Sekundäremissionen für Förderung und Transport bei Erdgas hinzu, sind die für den Klimawandel maßgeblichen Gesamtemissionen beider Energieträger zumindest ähnlich. Damit sollte hinterfragt werden, ob ein derart forcierter Technologiewechsel in Deutschland von Kohle auf Gas gerechtfertigt ist. Zumal der deutsche Anteil an den globalen CO2-Emissionen bei 2,5 Prozent liegt.
 In den zurückliegenden Jahren gab es zudem oft Situationen, in denen Europas Stromversorgung durch kurzfristige massive regenerative Über- oder Untererzeugung in Deutschland an die Belastungsgrenze gekommen ist. Deshalb sollte der Ausbau von Fotovoltaik und Windkraft so lange begrenzt werden, bis der bisher vernachlässigbare Beitrag dieser Technologien zu einer gesicherten Stromversorgung im Land durch technische Maßnahmen signifikant erhöht und erfolgreich ins physikalisch-technische Gesamt-System integriert wurde.
 Das bislang diskutierte Kohleausstiegsszenario sieht vor, dass die gesicherte Leistung bei der Stromerzeugung bereits 2022 um 15 bis 20 Gigawatt unter der deutschen Höchstlast liegen wird, eine Gefahr für eine sichere Stromversorgung.
Leider hat Deutschland die vergangenen 15 Jahre nicht genutzt, um technische Maßnahmen für eine zuverlässige System-Integration erneuerbarer Stromerzeugungen umzusetzen. Deshalb halte ich eine gesicherte Stromversorgung aus eigener Kraft in Deutschland aus physikalischen Gründen in der beschlossenen Form für nicht umsetzbar.

Zur Person

Prof. Dr.-Ing Harald Schwarz hat 1982 als Diplom-Ingenieur in Elektrotechnik an der TU Berlin in 1982 abgeschlossen und 1686 an der Uni Dortmund promoviert. Anschließend war Schwarz bis 1994 Mitarbeiter bei Asea Brown Bovery und in den Bereichen Großtransformatoren und Hochspannungsschaltanlagen tätig.
1995 wurde er an die BTU Cottbus zum ordentlichen Professor für Energieverteilung und Hochspannungstechnik berufen und war 2002 bis 2004 Prodekan der Fakultät für Maschinenbau, Elektrotechnik und Wirtschaftsingenieurwesen. 2004 bis 2014 war er geschäftsführender Direktor des Centrum für Energietechnologie Brandenburg (CEBra) an der BTU.
Professor Schwarz ist außerdem als (Gast)Professor an Universitäten in Shanghai, Moskau uns St. Petersburg gefragt.