Der Brecht-Schüler, Schauspieler und Theaterregisseur Friedo Solter ist tot. Solter starb am Dienstag im Alter von 90 Jahren auf Usedom, wie die Akademie der Künste in Berlin am Freitag unter Berufung auf die Familie und die Tochter selbst der dpa bestätigten. Bekannt war er vor allem für seine Arbeiten am Deutschen Theater in Berlin.
Seine überbordende Vitalität sicherte dem Abiturienten Friedo Solter ohne Umwege den Weg zur Bühne. Was nicht heißt, dass er sich auf den Typus des Haudegens festlegen ließ. Die Ausbildung an der Berliner Schauspielschule legte eine seltene Vielseitigkeit frei, die er auf Stationen in der Provinz (Senftenberg, Meiningen) ausprägte, um bereits 1959 mit 27 Jahren von Wolfgang Langhoff am Deutsche Theater Berlin (DT) engagiert zu werden.

Regisseur, Lehrer, Chefdramaturg, künstlerischer Leiter

Später wirkte er dort bis 2001 auch als Regisseur. Von 1984 bis 1991 war er zudem künstlerischer Leiter und Chefdramaturg des Hauses. Außerdem war Solter Schauspiellehrer und Dozent an der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ Berlin. Er gehört zu den Begründern des Instituts für Schauspielregie an dieser Hochschule. Als Auszeichnung für sein künstlerisches Wirken wurde ihm von der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ der Titel Professor verliehen.
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Die Liste der von ihm gespielten Rollen ist lang. Ebenso die seiner Regiearbeiten, in denen er neben dem Theater auch im Fernsehen wie im Film mit ungewöhnlicher Bandbreite der Stoffe als auch mit den durch die Jahrhunderte gehenden Autoren überraschte. Darunter Hochhuths „Stellvertreter“, Schillers „Wilhelm Tell“, Kleists „Amphitryon“ und „Homburg“, Tschechows „Kirschgarten“, Lessings „Nathan der Weise“ sowie immer wieder Brecht.

Die Erfüllung eines Traums

Im schlesischen Reppen 1932 geboren, aufgewachsen in Ludwigslust – keine Orte, an denen man sich Chancen für eine Karriere als Schauspieler ausrechnen kann. Bei Solter kam hinzu, dass ihm als Sohn einer Näherin und eines kaufmännischen Angestellten eher die „Sicherung der Existenz“ nahegelegt wurde als die Erfüllung eines Traumes. Und plötzlich war er ein von Regielegenden wie Wolfgang Heinz und Benno Besson begehrter Protagonist und spielte mit Stars wie Eberhard Esche, Horst Drinda, Käthe Reichel und Inge Keller.
„Es war eine Fundgrube“, erinnerte sich Solter im Gespräch 2015. „Die Bedingungen waren geradezu paradiesisch. Ich komme immer wieder auf das zurück, was man die großen Träume nennt, denn an dieser Träumerei sind viele schuld.“ Es gab auch „jähe Abstürze“, als 1983 seine Inszenierung von Goethes „Faust II“ mit Dieter Mann und Alexander Lang kurz vor der Premiere abgesetzt wurde. „Das war ein ganz schöner Schlag“, so Solter. Den Kulturfunktionären passte nicht, „wie ich das inszeniert habe, es war nicht so, wie man in der DDR einen Klassiker hätte sehen wollen“.
Susann Thiede (Blonde Sekretärin) und Wolf-Dieter Lingk (Verwaltungschef) 2001 in dem Stück "Nach dem Regen" des katalanischen Dramatikers Sergi Belbel in der Inszenierung des Berliner Regisseurs Friedo Solter. In dem Stück treffen auf dem Dach eines Büro-Wolkenkratzers die verschiedensten Charaktere beim Frönen einer verbotenen Leidenschaft - dem Rauchen - aufeinander und enthüllen ihre wahren Gesichter.
Susann Thiede (Blonde Sekretärin) und Wolf-Dieter Lingk (Verwaltungschef) 2001 in dem Stück "Nach dem Regen" des katalanischen Dramatikers Sergi Belbel in der Inszenierung des Berliner Regisseurs Friedo Solter. In dem Stück treffen auf dem Dach eines Büro-Wolkenkratzers die verschiedensten Charaktere beim Frönen einer verbotenen Leidenschaft - dem Rauchen - aufeinander und enthüllen ihre wahren Gesichter.
© Foto: Michael Helbig/dpa

Die Freude am Nachdenken

Von 1976 an konnte Solter auch im Westen arbeiten. Es gab damals auch bis heute wirkende Enttäuschungen über Kollegen. Den Spaß an der Arbeit habe er sich nicht nehmen lassen, denn „man macht Theater, weil man über Menschen nachdenkt. Den Menschen will man daraus wieder eine Freude über das Nachdenken machen.“ Bis ins hohe Alter blieb Solter ein Theaterbesessener. Die Staatstheater interessierten ihn zuletzt weniger, weshalb er in Bonn, Erfurt, Göttingen und wiederholt auch in Ulm inszenierte. 2001 brachte er am Staatstheater Cottbus das Stück des katalanischen Dramatikers Sergi Belbel auf die Kammerbühne. 2015 kam er für die Kleist-Gespräche anlässlich der Kleist-Tage noch einmal nach Frankfurt (Oder), damals 83-jährig. Der Titel des Gesprächs: „Ungeheuer Gehorsam?!“