Selten wurde eine Personalie in der deutschen Krimi-Landschaft mit mehr Spannung erwartet. Am Osterwochenende wird Corinna Harfouch erstmals als Kommissarin Susanne Bonard im Berliner „Tatort“ ermitteln. Ihr Debüt feiert sie mit dem Zweiteiler „Nichts als die Wahrheit“, der in ein bis in Justiz und Polizei hineinreichendes Netzwerk der Neuen Rechten führt.
„Ich fand es sofort eine großartige Idee, ‚Tatort‘-Kommissarin in Berlin zu werden“, sagte die 68-jährige Schauspielerin zu ihrer neuen Rolle. Sie löst damit Meret Becker an der Seite von Mark Waschke ab.
Sieben Jahre und 15 gemeinsame Fälle lang waren die beiden als Ermittler-Duo Rubin und Karow zu sehen. Ein Rückblick vor dem Neustart.

Nina Rubin und Robert Karow – eine komplexe Beziehung

Im Jahr 2015 ermittelten Rubin und Karow zum ersten Mal gemeinsam. In „Das Muli“ ging es für die beiden Ermittler in die düstere Welt eines Drogenschmuggelrings, der junge Frauen als Drogenkuriere missbraucht. Bekanntes Terrain für Karow, schließlich arbeitete er jahrelang im Drogendezernat.
Als Nina Rubin und Robert Karow ermittelten sie 15 Fälle lang gemeinsam: Meret Becker und Mark Waschke.
Als Nina Rubin und Robert Karow ermittelten sie 15 Fälle lang gemeinsam: Meret Becker und Mark Waschke.
© Foto: Thomas Ernst / rbb
Erst nachdem sein Partner Gregor Maihack unter mysteriösen Umständen bei einem Einsatz ums Leben gekommen war, ließ er sich in die Mordkommission versetzen. Dort eilte dem analytischen und zwischenmenschlich oft unterkühlten Ermittler bereits ein Ruf voraus. Dass Karow tatsächlich gerne Alleingänge macht, durfte Nina Rubin dann bereits im ersten Fall feststellen.
Dabei hätte die sensible Kommissarin einen empathischen Kollegen gut gebrauchen können. Zu Hause hat die zweifache Mutter nämlich mit Eheproblemen zu kämpfen, vor denen sie nachts in die Clubs der Stadt und die Arme Wildfremder flüchtet. Stattdessen ist sie nun mit einem Partner konfrontiert, dem sie nur schwer vertrauen kann.

Vergangenheit Karows bleibt über mehrere Fälle Thema

Seine Vergangenheit holt Karow auch in weiteren Fällen noch ein. In „Ätzend“, dem zweiten Fall des Duos, wird eine Waffe bei ihm gefunden, die mit zwei Mordfällen in Verbindung steht. Der Kommissar wird sogar verhaftet. So liegt es an Nina Rubin, zusätzlich zu ihren Ermittlungen ein Handy zu finden, auf dem ein entlastendes Video gespeichert sein soll. Keine einfache Aufgabe. Aber eine, die die beiden Kommissare zusammenschweißt. Endgültig aufgeklärt wird der Mord an Gregor Maihack schließlich in „Dunkelfeld“, dem 2016 erschienenen, vierten Fall von Rubin und Karow.

Vertrauen als Leitmotiv des Berliner „Tatorts“

Doch die Frage des Vertrauens bleibt ein Leitmotiv des Berliner „Tatorts“. „Vertrauen schließt für mich ein, dass man sich selber erstmal vertraut“, sagte Mark Waschke der MOZ im Interview zu „Das Mädchen, das allein nach Haus‘ geht“, dem 15. und letzten Fall von Rubin und Karow. Eine Definition, die auch auf den Eigenbrödler Karow zutrifft, der sich zumindest seiner Kollegin zunehmend öffnen kann.
Schließlich nähern sich die beiden sogar privat an – eine echte „Amour Fou“ – wie 2017 auch der fünfte Fall hieß. Die emotionale Fallhöhe ist für den sonst so distanzierten Kommissar am Ende also denkbar hoch. „Das Opfer“, so der Titel des zuletzt erschienenen Falls, zeigte den vorerst solo ermittelnden Karow nach dem Verlust seiner Partnerin als Wrack, das die Tränen nicht länger zurückhalten kann.

Abschiede und neue Gesichter

Doch Meret Becker war nicht der erste Abgang aus dem Berliner „Tatort“ um Rubin und Karow – und Corinna Harfouch nicht der erste Neuzugang. So gehörte auch Schauspielerin Carolyn Genzkow lange zum Team der Hauptstadt-Ermittler. Bereits im ersten Fall war sie als unscheinbare, aber smarte Kommissaranwärterin Anna Feil zu sehen. Eine Rolle, die sie fünf Jahre lang behielt. Doch nach „Ein paar Worte nach Mitternacht“, dem zwölften Fall, war Schluss. Genzkow beendete ihre Schauspielkarriere und arbeitet heute als Psychologin.
In „Die Dritte Haut“ mussten Rubin und Karow noch ohne Unterstützung auskommen, 2021 übernahm schließlich Tan Çağlar in „Die Kalten und die Toten“ die Assistentenstelle im Berliner Morddezernat. Seither erweist er sich als so schlagfertiger wie hilfreicher Kollege.
Unterstützt das Berliner "Tatort"-Team seit dem Fall "Die Kalten und die Toten" (2021) als Assistent Malik Aslan: Comedian, Schauspieler und Sportler Tan Çağlar.
Unterstützt das Berliner „Tatort“-Team seit dem Fall „Die Kalten und die Toten“ (2021) als Assistent Malik Aslan: Comedian, Schauspieler und Sportler Tan Çağlar.
© Foto: Julian Stratenschulte / dpa
Auch die Gerichtsmedizinerin Dr. Nasrin Reza, gespielt von Maryam Zaree („4 Blocks“), verabschiedete sich nach dem neunten Fall „Der gute Weg“ – der Grund war eine eher aufzehrende Affäre mit Karow.

Kein gewöhnlicher „Tatort“

Zugegeben, als Hort der Innovation ist „Tatort“ nicht gerade bekannt. Dennoch zeigte sich die Berliner Variante gelegentlich experimentierfreudig. Das bewies nicht nur die Vorgeschichte um Karows ermordeten Partner aus dessen Zeit im Drogendezernat. Sie wurde mit einer horizontalen Erzählstruktur über mehrere Folgen ausgebreitet. Ein eher seltener Kniff für einen „Tatort“.
Auch der 2018 erschienene siebte Fall „Meta“ war erfrischend ungewöhnlich. Ein mordender Drehbuchautor lockt darin die Ermittler mithilfe eines Films auf die Fährte seiner Auftraggeber. Nicht nur für Rubin und Karow verschwammen dadurch Grenzen – ein Film im Film.
Für "Meta" (2018) drehten Meret Becker und Mark Waschke auf der Berlinale.
Für „Meta“ (2018) drehten Meret Becker und Mark Waschke auf der Berlinale.
© Foto: Reiner Bajo/dpa

Berlin – eine Großstadt mit vielen Drehorten

Dass der Berliner „Tatort“ ein Händchen für spannende Drehorte hat, zeigte „Meta“. Der Fall wurde unter anderem während der Berlinale gedreht. Aber auch am Hauptstadt-Flughafen BER – mal als Baustelle, mal fertig – wurde schon gefilmt. Genau wie in den Tunnelkatakomben unter dem U-Bahnhof Alexanderplatz, dem leerstehenden Bierpinsel in Steglitz oder einer Eisengießerei in Wilhelmsruh. Für Location-Scouts erweist sich die Hauptstadt als dankbares Pflaster.

Jubiläen und Historisches – die Themen des Berlin-„Tatorts“

Geht es um den Inhalt, zeigte sich der Berliner „Tatort“ neben der Pflicht des Mörderischen, auch immer wieder um die Kür des Relevanten bemüht. Pünktlich zum 30. Jahrestag des Mauerfalls 2019 griff er in „Das Leben nach dem Tod“ die Todesstrafe in der DDR auf.
Das Jubiläum der deutschen Einheit, ein Jahr später, gab ebenfalls Anlass zu einer mörderischen deutsch-deutschen Familiengeschichte um zwei Brüder.
Selbst ein kleines Stück Zeitgeschichte war hingegen der 13. Fall „Die dritte Haut“ von 2021. Nicht nur wurde dieser „Tatort“ inmitten der zweiten Corona-Welle gedreht, er griff das Thema auch vor der Kamera auf. Die Kommissare mit Masken verliehen dem Film so fast etwas Dokumentarisches.

„Tatort: Nichts als die Wahrheit“ – Ausstrahlungstermine

Der erste Teil des neuen Berlin-„Tatorts“ läuft am Ostersonntag, 9. April 2023, um 20.15 Uhr im Ersten.
Der zweite Teil wird am Ostermontag, 10. April 2023, um 20.15 Uhr ausgestrahlt. Beide Teile sind im Anschluss in der ARD Mediathek abrufbar.