Von Lydia Schauff

In der gerade entstehenden Zooschule im Cottbuser Tierpark und der erst im November ausgebauten Gubener Straße in Forst (Lausitz) stecken welche drin, auch die Bekämpfung der Drogenkriminalität im sächsisch-polnischen Grenzgebiet wird damit unterstützt, und der Erhalt und die Pflege der Lausitzer Pücklerparke wird mit ihrer Hilfe finanziert: Interreg-Va-Mittel; Mittel der fünften Förderperiode für grenzübergreifende und europäische territoriale Zusammenarbeit, kurz ETZ. Auch in die grenzübergreifende Gesundheitsversorgung, den gemeinsamen Hochwasserschutz, den Ausbau eines grenzübergreifenden Arbeitsmarktes und Verkehrsnetzes und zahlreiche Tourismus-Vorhaben fließen die Gelder. Und die Liste ließe sich noch lange weiterführen.
Doch die Zukunft der Interreg-Förderung steht aktuell auf dem Prüfstand. Die EU-Kommission hat einen Verordnungsentwurf vorgelegt, wonach der bisherige Kofinanzierungsanteil durch die EU von 85 auf 70 Prozent sinken soll, erläutert Ursula Bretschneider, Leiterin der Verwaltungsbehörde Kooperationsprogramm Interreg Va im Brandenburger Ministerium für Justiz, Europa und Verbraucherschutz (MdJEV). Gerade kleinere Kommunen, Stiftungen oder Vereine könnten den dann viel höheren Eigenanteil wohl nicht aufbringen. Die Kürzung würde aber nicht nur die Lausitz, sondern alle deutschen Grenzregionen treffen. Geplant ist eine Kürzung bei allen drei bestehenden Interreg-Programmen; neben der grenzüberschreitenden werden auch die transnationale und die interregionale Zusammenarbeit gefördert. Statt bisher rund zehn Milliarden sollen dafür künftig nur noch 8,4 Milliarden Euro zur Verfügung stehen.
Die Kommunalen Spitzenverbände in Sachsen forderten in einem Positionspapier, „dass die Kofinanzierung durch die EU auf dem heutigem Niveau bestehen bleiben muss. Auch, wenn dies bei gleichbleibendem Budget zu einer Verringerung der Projektzahl führt, so ist ein größerer Eigenanteil von Kommunen oftmals nicht zu stemmen“.
Hintergrund der Kürzungspläne sind die laufenden EU-Haushaltsberatungen über den Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) für die Jahre 2021 bis 2027. Dort wird festlegt, wie viel Geld in welchen Politikfeldern ausgegeben werden darf. Und weil in die europäische Kohäsionspolitik, die auf den Zusammenhalt zwischen Staaten und Regionen und den Ausgleich regionaler Unterschiede abzielt, mit einem Ausgabenanteil von rund 35 Prozent bisher besonders viel Geld gesteckt wurde, soll auch genau da besonders gespart werden.
Dass die Grenzregionen überhaupt um die EU-Förderung im bisherigen Umfang bangen müssen, hängt auch mit Großbritanniens geplantem EU-Ausstieg zusammen. Machen die Briten mit dem Brexit Ernst, entsteht im EU-Haushalt eine Finanzlücke von zehn bis 14 Milliarden Euro jährlich. Die Briten gehör(t)en zu den Netto-Einzahlern, das heißt: Sie steuern zum EU-Haushalt mehr Geld bei als in das Land zurückfließt. Auch die Erfordernisse der Flüchtlingspolitik und der Migration schlagen zunehmend auf das EU-Säckel.
Doch gerade für die Lausitz, die im kommenden Jahrzehnt den Kohleausstieg und einen Strukturwandel zu bewältigen hat, wäre die Kürzung der Interreg-Mittel ein weiterer herber Einschnitt. Zwar, so Ursula Bretschneider, könne im wirtschaftlichen Bereich auf andere Mittel aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (Efre) zurückgegriffen werden, doch das hilft Lausitzer Interreg-Projekten, die einen anderen Fokus setzen, wenig. Zumal dann wohl auch mehr Projekte um die Efre-Mittel konkurrieren würden.
Gerade in der Lausitz, als Region im Umbruch, seien ein steter Austausch und eine stete Zusammenarbeit der Grenzregionen mit Blick auf die Zukunft enorm wichtig. Besonders auch der touristische und der kulturelle Bereich, die mit dem Strukturwandel in der Lausitz zunehmend an Bedeutung gewinnen, profitieren stark von Interreg-Mitteln. Zudem, so Ursula Bretschneider von der Verwaltungsbehörde Kooperationsprogramm Interreg Va im Brandenburger Europaministerium, sei die Zusammenarbeit der Länder und die Überwindung regionaler Unterschiede, was mit Interreg ermöglicht werde, wichtig für das europäische Verständnis und damit für Europa an sich.
Ursula Bretschneider geht davon aus, dass ohne die EU-Förderung etliche Projekte der Förderperiode 2014 bis 2020 womöglich nie umgesetzt worden wären. Brandenburg erhält für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Rahmen der Interreg-Kooperationsprogramme Mecklenburg-Vorpommern sowie Brandenburg-Westpommern und Brandenburg-Polen (Lubuskie) in der aktuellen Förderperiode rund 100 Millionen Euro. Die Programme Sachsen-Tschechien und Sachsen-Polen werden mit 220 Millionen Euro unterstützt. Auf welche Summen diese Zahlen zusammenschmelzen würden, wenn die EU-Kommission die Kürzung der Interreg-Mittel absegnen würde, ist noch völlig unklar.
Carsten Jacob, Geschäftsführer vom Euroregion Spree-Neiße-Bober, für den grenzübergreifende Zusammenarbeit das zentrale Element ist, war Mitte Januar mit Vertretern des deutschen und polnischen Euroregion-Vorstands in Brüssel, um sich für den Erhalt der Interreg-Förderung mit den aktuellen Bedingungen einzusetzen. Am 30. April wird Brandenburgs Europa-Minister Stefan Ludwig (Die Linke) für eine Interreg-Tour nach Guben kommen. „Dann werde ich ihn fragen, was er unternimmt, damit Interreg in seiner jetzigen Form erhalten bleibt und die brandenburgisch-polnische Grenzregion auch künftig davon profitieren kann“, so Jacob. Die RUNDSCHAU hat diese Frage schon jetzt an Stefan Ludwig gestellt.
Schon jetzt, so der Minister, sei es für kleinere Organisationen schwierig, den Eigenanteil an Mitteln aufzubringen: „Eine geringere Kofinanzierung würde die Beteiligung an der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit weiter erschweren. Das kann von Kommissionsseite nicht gewollt sein.“ Die Landesregierung habe und werde sich gegenüber der EU-Kommission und gegenüber der Bundesregierung für eine Beibehaltung der jetzigen Förderkulisse einsetzen.
Das entspricht dem, was auch Carsten Jacob von der Euroregion Spree-Neiße-Bober fordert: „Wir wollen unbedingt, dass die finanzielle Ausstattung für Interreg so bleibt wie bisher.“ Denn unter der Kürzung würden auch zentrale Vorhaben wie der Aufbau einer grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung – hier läuft derzeit ein Interreg-Projekt im Naemi-Wilke-Stift Guben – und Verwaltungszusammenarbeit leiden.
Dass Projekte scheitern können, wenn Interreg-Förderung ausbleibt, zeigt ein aktuelles Beispiel aus Cottbus. So erhielt der Projektantrag der BTU Cottbus-Senftenberg für das Projekt „Erreichbarkeitsoptimierung im deutsch-polnischen Grenzraum - Autonomes CO2-neutrales Fahren“ eine Absage. Der Spree-Neiße-Landrat Harald Altekrüger (CDU), gleichzeitig Präsident der Euroregion Spree-Neiße-Bober, sieht deshalb nun das gesamte Vorhaben in Gefahr, weil die finanziellen Mittel wahrscheinlich nicht gestemmt werden können, und sagt: „Es will uns nicht in den Kopf, dass einerseits von Milliarden für den Strukturwandel gesprochen wird, andererseits aber 50 000 Euro für ein konkretes und wichtiges Projekt nicht zur Verfügung gestellt werden können.“
Der Ausschuss für Regionale Entwicklung im Europäischen Parlament hat am 22. Januar einen Bericht verfasst, der nun an alle EU-Parlamentsmitglieder gehen wird. Darin fordern die Ausschussmitglieder statt einer Kürzung eine Aufstockung der Interreg-Mittel. Und sie fordern, dass der bisherige Kofinanzierungssatz seitens der EU bei 85 Prozent bleibt. „Ich setze mich, wie auch die gesamte EVP-Fraktion, im Europäischen Parlament dafür ein, dass die Mittel für die Kohäsionspolitik in der jetzigen Höhe bestehen bleiben und nicht, wie von der Kommission gefordert, gekürzt werden“, sagt der brandenburgische Politiker und EU-Parlamentarier Christian Ehler (CDU).
Nun heißt es: warten. Denn bis die EU-Kommission ihre Vorschläge eventuell überarbeitet und den MFR für 2021 bis 2027 verabschiedet, kann es dauern. Carsten Jacob von der Euroregion Spree-Neiße-Bober befürchtet sogar, dass deutsch-polnische Projektpartner noch mehrere Monate mit Ungewissheit leben müssen und die finale Entscheidung über den neuen EU-Haushalt erst nach der Europawahl im September fällt.