Von Jeanette Bederke

Die Sitzordnung auf dem Fahrzeug, der Ablauf des Einsatzes, die Bedeutung des Kommandos „Gefahr – Alle sofort zurück“ – all das ist Gegenstand der Doppelstunde bei der Angermünder Feuerwehr (Uckermark). Aufmerksam lauschen elf Neuntklässler den Erläuterungen von Ausbilder Steffen Hoppe. „Die genaue Aufgabenteilung ist wichtig, damit ihr beim Einsatz nicht wie eine Hammelherde durcheinander lauft“, erklärt Hoppe mit Nachdruck. Anschließend geht es im praktischen Teil mit Helm und Handschuhen zum Gerätetraining.

Vanessa Wölk und ihre Mitschüler sind entschlossen, die Grundausbildung bei der Feuerwehr erfolgreich abzuschließen. „Meine ganze Familie ist in der Feuerwehr. Ich bin damit aufgewachsen und finde es wichtig, anderen zu helfen“, sagt die Jugendliche aus Klein Ziethen (Barnim). Frauen seien gar nicht mehr so selten bei der Feuerwehr. Den Schülern ist aber auch bewusst, dass es für diesen in Brandenburg einmaligen Unterricht Zensuren gibt. Denn er ist neben Judo, Hauswirtschaft, Angeln und Musik ein Wahlpflichtfach an der Ehm-Welk-Oberschule Angermünde.

Schulleiter Frank Bretsch war 2015 auf die Idee gekommen. Er sitzt für die SPD im uckermärkischen Kreistag und hörte dort immer wieder von Personalproblemen bei den Freiwilligen Wehren, vor allem in kleinen Dörfern.

„Die meisten Bewohner arbeiten nicht mehr in Wohnortnähe, sondern pendeln. Dadurch ist die Einsatzbereitschaft nicht mehr gewährleistet“, sagt er. Außerdem gebe es kaum noch Jugendliche in den Orten, weil diese an weiterführenden Schulen bis zum Nachmittag Unterricht hätten und die Freizeitangebote vor allem in Schulnähe nutzten.

Auch an der Ehm-Welk-Oberschule sind mehr als die Hälfte der knapp 500 Mädchen und Jungen „Fahrschüler“, stammen also aus den 22 Ortsteilen von Angermünde oder aus Barnim und sind für den Schulweg per Bus bis zu 65 Minuten unterwegs. „Warum also nicht die Feuerwehrausbildung in den Unterricht verlegen?“, dachte sich Bretsch. „Die Schule soll doch auf das Leben vorbereiten.“

Laut Schulleiter gibt es nur wenige Fächer, in denen sich Theorie und Praxis so gut miteinander verbinden lassen. Positiver Nebeneffekt: Fast alle Feuerwehr-Schüler sind inzwischen Mitglieder in den Freiwilligen Wehren ihrer Heimatorte und engagieren sich ehrenamtlich. „Nachwuchsprobleme haben wir überall bei der Feuerwehr“, berichtet der stellvertretende Stadtwehrführer René Pöschl. „Uns gelingt es im Unterricht, die Jugendlichen so zu begeistern, dass sie sich tatsächlich auch in ihrer Freizeit ehrenamtlich engagieren.“

Vanessa und vier weitere Mitschüler würden die Arbeit bei der Feuerwehr gern zu ihrem Beruf machen, erzählen sie. Die sogenannte Truppmann-Ausbildung dauert zwei Jahre, erst nach erfolgreichem Abschluss dürfen die Nachwuchs-Feuerwehrleute zu Einsätzen. Einmal in der Woche wechseln die Neuntklässler für zwei Stunden vom Klassenraum ins Feuerwehrdepot im Angermünder Gewerbegebiet.

Die sogenannte Stützpunktfeuerwehr hat insgesamt vier Löschzüge mit insgesamt 320 freiwilligen Feuerwehrleuten. „Der Nachwuchs auf der Schulbank ist schon motiviert und engagiert“, sagt Ausbilder Hoppe, hauptamtlicher Gerätewart bei der Stadtwehr. „Ehemalige Schüler sind inzwischen in unseren Reihen.“

50 bis 60 Schüler hatten laut Bretsch in Angermünde seit 2015 schon Feuerwehrunterricht. Auch wenn die meisten von ihnen nach der 10. Klasse für eine Ausbildung weggingen, sei der Effekt nicht verpufft, glaubt er. „Wenn da Feuerwehr-Ausbildung auf dem Zeugnis steht, ist das auch ein Pluspunkt bei Bewerbungen. Denn es gibt Arbeitgeber, die auf ehrenamtliches Engagement und Sachkenntnis beispielsweise bei der Ersten Hilfe achten.“ Große Betriebe wie die Schwedter PCK Raffinerie oder die Leipa-Papierfabrik hätten eigene Werksfeuerwehren, die auch Nachwuchs suchten.

Das Angermünder Beispiel soll Schule machen. Mehrere Anfragen von Kollegen hätten Bretsch schon erreicht. Und die Bildungseinrichtung ist als erste in Brandenburg offizieller Partner der Feuerwehr. Eine entsprechende Förderplakette, die bisher nur Firmen in der Mark bekamen, wenn sie ihre Mitarbeiter für Feuerwehreinsätze freistellen, hat Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) Ende Januar überreicht. Verbunden damit war das Versprechen, dass die Schüler-Feuerwehranwärter über Fördermittel mit entsprechender Schutzkleidung ausgerüstet werden und die Angermünder Feuerwehr für den Theorieunterricht eine interaktive Tafel erhält. Hinzu kommt: Die Ehrenamtler sollen mit einem neuen Prämiensystem besser motiviert werden.