Der frühere DDR-Bürgerrechtler und spätere Grünen-Politiker Werner Schulz ist tot. Er starb am Mittwoch (9. November) während der Gedenkveranstaltung zu den Novemberpogromen im Berliner Schloss Bellevue. Das gab Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nach Angaben von Teilnehmern der Tagung bekannt. Schulz wurde 72 Jahre alt. Das Bundespräsidialamt beendete die Veranstaltung zum 9. November vorzeitig und begründete dies mit einem Todesfall im Kreis der Teilnehmer. Es wollte umgehend die Angehörigen informieren.
Nach dpa-Informationen brach Schulz am Rande der Tagung zusammen. Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, der Arzt ist, versuchte demnach noch, den Grünen-Politiker zu reanimieren. Dies gelang jedoch nicht. Es war aufgefallen, dass Schuster unmittelbar vor seiner vorgesehenen Rede den Großen Saal im Schloss Bellevue verließ - wegen eines „Notfalls“, wie die Moderatorin der Tagung sagte.
Das Leben von Werner Schulz - ein Rückblick
Schulz wurde am 22. Januar 1950 in Zwickau geboren. Er absolvierte ein Studium der Lebensmittelchemie und -technologie an der Humboldt-Universität Berlin. Seit 1968 war er in verschiedenen Oppositionsgruppen der DDR aktiv. 1989 gehörte er zu den Gründungsmitgliedern des Neuen Forums, das er am Runden Tisch vertrat. 1990 wurde Schulz Mitglied die ersten frei gewählten Volkskammer der DDR. Vom Oktober 1990 bis Oktober 2005 gehörte er für Bündnis 90/Die Grünen dem Bundestag an, von 2009 bis 2014 dem Europaparlament.
Für seinen Einsatz für die Demokratie und für die Opposition in Russland wurde Schulz erst im vergangenen Juni mit dem Deutschen Nationalpreis geehrt. Der Bundespräsident und sein Vorgänger Joachim Gauck würdigten ihn als meinungsstarken Streiter für demokratische Werte. „Unsere Zeit, geprägt von zum Teil hasserfüllten, faktenleugnenden Debatten und einer bemerkenswerten Anzahl von Wutbürgern, die die liberale Demokratie ablehnen, braucht derartige Vorbilder“, sagte Gauck seinerzeit.
Kanzler würdigt Verdienste von Schulz für Deutschland
Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich betroffen gezeigt. „Der plötzliche Tod von Werner Schulz am heutigen Jahrestag des Mauerfalls macht mich traurig“, schrieb der SPD-Politiker am Mittwoch bei Twitter. „Er hat sich sehr verdient gemacht um unser Land, um das Zusammenwachsen von Ost und West. Meine Gedanken sind bei seiner Familie und den Weggefährten - ihnen wünsche ich viel Kraft.“
Steinmeier würdigt Schulz als Kämpfer für die Freiheit
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat Werner Schulz als leidenschaftlichen Kämpfer für Demokratie und Freiheit gewürdigt. „Werner Schulz war einer jener mutigen Persönlichkeiten, denen wir alle in unserem wiedervereinten Land den Fall der Mauer verdanken“, schrieb Steinmeier am Mittwoch der Witwe Monika Schulz. „Für seine Courage, seine stets aufrechte Haltung und zugleich für seine Analysekraft habe ich ihn zutiefst bewundert.“ Schulz werde ihm als wichtiger und hoch geschätzter Gesprächspartner fehlen. Die Begegnungen mit ihm werde er vermissen.
Claudia Roth: Werner Schulz war ein Bürgerrechtler durch und durch
Claudia Roth über den Tod: „Ich bin traurig und schockiert vom plötzlichen und sehr frühen Tod von Werner Schulz“, teilte die Grünen-Politikerin am Mittwoch mit. „Er konnte wie kein anderer den Totalitarismus des SED-Regimes und den Unterschied zur Demokratie und Rechtsstaatlichkeit begreifbar machen.“
Schulz sei Bürgerrechtler durch und durch gewesen. „In der damaligen DDR, im Bundestag und Europaparlament war er ein glaubwürdiger Kämpfer für Demokratie und Freiheit“, sagte Roth. „Seine Stimme und seine aufrüttelnde Einmischung werden fehlen.“