Die Energiepreise haben sich zwar etwas erholt und sind bei weitem nicht mehr so hoch wie zu den schlimmsten Zeiten der Krise im vergangenen Jahr. Doch bleibt das Niveau weiterhin beträchtlich. Und noch lange ist keine Entwarnung in Sicht, weil niemand weiß, wie sich der kommende Winter entwickelt. Sollte die Witterung strenger als erwartet ausfallen und Deutschland es nicht schaffen, genügend Flüssiggas einzukaufen und damit die nationalen Gasspeicher zu füllen, dann könnten die Preise auch wieder ganz schnell nach oben gehen.
Deswegen bleibt die Frage aktuell, wie man diesen Posten im Haushaltsbudget verringert. Und man fragt sich, ob man nicht auch Strom im EU-Ausland kaufen kann. Denn nahezu alle Waren und Dienstleistungen kann man ja in anderen Ländern der Gemeinschaft erwerben, so erlaubt es der EU-Binnenmarkt.
Zoll in Deutschland regelt das Verfahren
Dabei ist das Thema bei weitem nicht neu: So hat das Europäische Verbraucherzentrum (EVZ) bereits im September des vergangenen Jahres darauf hingewiesen. Ebenso haben vereinzelt regionale Blätter wie die Saarbrücker Zeitung darüber geschrieben, ob es nicht günstiger wäre, im Nachbarland Frankreich Strom zu kaufen.
Damit ist auch schon ein kleiner Informationsmarkt für Verbraucherinnen und Verbraucher entstanden. Die Einrichtung und die lokalen Medien stützen sich auf sehr detaillierte Regelungen des deutschen Zolls, der den Einkauf von Energie sogar ganz ausdrücklich auf seiner Website beschreibt:
Verbraucher aus Deutschland müssen Stromkauf dokumentieren
Wer Strom aus dem Ausland für zu Hause kauft, unterliegt logischerweise dem deutschen Recht. Deswegen muss man hier die deutschen Steuern, Umlagen, Abgaben und Netzentgelte entrichten, die in dieser Form in anderen Ländern nicht anfallen. Das deutsche Recht kann nicht auf den ausländischen Lieferanten angewendet werden, weil dieser seinen geschäftlichen Sitz im Ausland hat. Deswegen muss der deutsche Verbraucher besondere Pflichten übernehmen. Dazu gehört die Dokumentation der gekauften Strommenge an das Hauptzollamt. Dies muss man fristgerecht und regelmäßig machen.
„Die Möglichkeit, als Letztverbraucher eine Erlaubnis zum Bezug von Strom aus einem Gebiet außerhalb des Steuergebiets zu beantragen, besteht seit dem 1. April 1999“, erklärt Florian Richter, der Sprecher der Generalzolldirektion auf Anfrage dieses Nachrichtenportals. „Im Jahr 2020 waren 180 Erlaubnisinhaber registriert“, sagt der Vertreter der Behörde. „Aktuellere Daten können wir in Kürze Ihrer Frist leider nicht zur Verfügung stellen“, führt Richter weiter aus. Nur zur Erklärung: Der Sprecher hatte die Anfrage 24 Stunden vorher erhalten. Eine statistische Aufschlüsselung nach Ländern erfolgt seinen Aussagen zufolge bei der Erlaubniserteilung nicht. „Ebenso wird bei der Besteuerung nicht nach dem jeweiligen Bezugsland unterschieden“, weist Richter darauf hin, dass es für Außenstehende sehr schwierig ist, Einsicht darin zu bekommen, wie der Strom aus dem Ausland tatsächlich gekauft wird.
Deutschland bei Strompreisen in Europa mittlerweile im Mittelfeld
Hintergrund: Die Preise sind derzeit in Europa sehr schwankend. Gehörte das Niveau in Deutschland zum Jahreswechsel noch zu den höchsten in Europa, so befand sich das Land im März 2023 nur noch auf einem mittleren Platz. Wie sich an der Handelsplattform „Entsoe“ ablesen lässt, kostete im dritten Monat des Jahres eine Kilowattstunde 71,48 Euro. Portugal (64,41 Euro), Dänemark (62,05 Euro), Spanien (61,51 Euro) und Schweden (55,04 Euro) gehörten zu den Ländern, wo die Preise geringer als in Deutschland waren. Also kann sich grundsätzlich der Kauf in diesen Ländern immer noch lohnen.
„Physisch kaum Strom aus einem anderen Land erhältlich“
„Es geht ein Stück weit darum, was der Konsument will“, erklärt Barbara Maria Lempp, die Geschäftsführerin des Verbandes Deutscher Energiehändler diesem Nachrichtenportal. „Wohnt er in Schleswig-Holstein, kann er vermutlich sämtliche Stromanbieter nehmen, die ihm das Vergleichsportal Verivox anzeigt, und sich relativ sicher sein, dass in vielen Stunden Windstrom aus Dänemark in seine Leitung ankommt“, so die Fachfrau. „Ist er etwas weiter von der deutschen Landesgrenze entfernt, wird er physisch nur in Deutschland erzeugten Strom bekommen, egal ob sein Energieversorger Vattenfall oder E.ON heißt“, sagt sie. „Einige Energieversorger haben zwar eine ausländische Mutter, wickeln aber das Endkundengeschäft in Deutschland über eine deutsche Tochter ab, die ihren Strom selbst produziert oder im Ausland einkauft“, macht Lempp klar. „Bilanziell kann man also in der Tat ausländischen Strom in Deutschland erhalten, physisch ist das wie oben beschrieben in den meisten Fällen nicht der Fall, weil die Grenzübergangspunkte für Strom an den deutschen Außengrenzen nicht ausreichend groß sind“, fügt die Expertin hinzu.
Auch Katarzyna Guzenda, Expertin für deutsch-polnisches Verbraucherrecht bei der Verbraucherzentrale Brandenburg, hat in der Praxis noch von keinem einzigen Fall gehört, wo ein Deutscher aus dem Ausland bezogen hat – also auch aus Polen nicht. Die Fachfrau weist im Gespräch mit diesem Nachrichtenportal auch darauf hin, dass man sehr genau rechnen müsse, ob sich der Stromeinkauf im Ausland überhaupt lohne. „Denn zusätzlich muss man noch die Posten bezahlen, die noch in Deutschland für den Strom anfallen, beispielsweise die Netzentgelte“, erklärt sie.
Erstmal überhaupt Stromanbieter im Ausland für Deutschland finden
Letztlich müsse man auch erstmal ein ausländisches Energievertriebsunternehmen finden, das den Strom nach Deutschland verkauft.
Und hier erteilt der polnische Konzern Enea diesem Nachrichtenportal eine klare Absage:
„Wir verkaufen gar nicht ins Ausland“, sagt Berenika Ratajczak, die Sprecherin des Konzerns, der einer der größten in Polen ist.
Fazit: Die Regelungen des deutschen Zolls existieren zwar seit fast einem Viertel-Jahrhundert und wirken somit so, als ob sich dahinter ein richtiger Markt mit regem Stromhandel aus dem Ausland befindet. Doch machen sie in der Praxis gar keinen Sinn, weil es viel zu umständlich ist, die Energie von dort zu beziehen. Im Falle von Polen gibt es nicht einmal einen Anbieter, der nach Deutschland verkauft.