Rund 250.000 Euro werden benötigt, um einen privaten Sanitätsdienst für den Loveparade-Nachfolger „Rave the Planet“ an diesem Sonnabend in Berlin abzusichern. Zu der Techno-Parade mit rund 20 Wagen und rund 200 teilnehmende Künstlern werden in diesem Jahr rund 300.000 Besucher erwartet.
Nach den Absagen von mehreren ehrenamtlich tätigen Hilfsorganisationen wie den Maltesern, Johannitern und dem Deutschen Roten Kreuz hatte die gemeinnützige Rave The Planet GmbH am Mittwoch, wie berichtet, die polizeiliche Auflage erhalten, selbst einen privaten Sanitätsdienst zu beauftragen.
Dies ist nun offenbar geschehen. Wie die Veranstalter im sozialen Netzwerk kurz nach 10 Uhr am Freitag mitteilten. So habe man einen privaten Sanitätsdienst beauftragt, für die gesundheitliche Versorgung der Besucher des „Loveparade“-Nachfolgers zu sorgen. Die entsprechenden Verträge sind unterschrieben. Dies werde nach Angaben der Veranstalter „schweineteuer“, es sei ihnen aber wichtig, dass es allen gut gehe und man einen sicheren und schönen Familientag rund um die Siegessäule verlebe.
Zuvor hatte es in kleinem Rahmen eine Pressekonferenz gegeben. Diese wurde live im Internet gestreamt. Eine bei gofundme von Ellen Dosch-Roeingh, Mitglied des Organisationsteams, gestartete Spendenkampagne hat bis zum Freitag etwa 21.000 Euro generiert. Ziel ist es auf eine Spendensummer von 250.000 Euro zu kommen. Die Terchno-Parade solle auf jeden Fall stattfinden, falls nicht etwas anderes dazwischen komme, sagte Geschäftsführer Timm Zeiss.
Die Kosten von rund 250.000 Euro übertreffen das vorhandene Budget der Veranstalter um Loveparade-Gründer Dr. Motte aber um mehr als das Doppelte. Für die gesamte Durchführung der Parade hatten die Organisatoren nach eigenen Angaben mit Kosten von 100.000 Euro geplant, nicht ganz die Hälfte davon wollten sie für die Absicherung des Sanitätsdienstes ausgeben.
„All unsere Bemühungen, in kürzester Zeit einen angemessenen Ersatz zu finden, waren bisher vergeblich“, hieß es am Donnerstag von den Veranstaltern. Über den Spendenaufruf können die Fans das Team um Dr. Motte nun zumindest finanziell unterstützen. Allerdings kamen bis zum frühen Donnerstagnachmittag gerade mal etwas mehr als 17.000 Euro zusammen.
140 Sanitäter als Mindestanforderung für Rave the Planet in Berlin
Die Polizei hat in ihrem Auflagen-Bescheid einen personellen Mindeststandard von mindestens 140 Helfenden mit unterschiedlichen Sanitätsausbildungen benannt, um die Anforderungen einer Veranstaltung dieser Größenordnung zu erfüllen.
Im Vorjahr hatten die Johanniter gemeinsam mit dem Arbeiter-Samariter-Bund sowie den Maltesern den Techno-Umzug ehrenamtlich betreut. Zur Erstauflage der „Rave the Planet“-Parade, die 2022 noch am Kurfürstendamm startete und an der Siegessäule endete, kamen nach Behörden-Schätzungen rund 200.000 Besucher.
Die Techno-Party, die eine Art Neuauflage der weltbekannten „Loveparade (1989 – 2010“) war, musste am Ende gegen 22 Uhr allerdings etwas vorzeitig aufgelöst werden, weil es an der Siegessäule zu voll wurde. Generell gab es viele Sanitäter-Einsätze, auch wegen der Einnahme von Rauschmitteln. Mehr als 100 Teilnehmer wurden mit Krankentransporten in Kliniken gebracht. Insgesamt sei die Parade aber „überwiegend störungsfrei“ abgelaufen, hieß es damals von der Polizei.
Auch zur Umzugsstrecke hatte es in diesem Jahr besondere Auflagen gegeben. So dürfen die Musik-Trucks sowie Techno-Jünger nicht mehr durch die Straßen der Innenstadt ziehen, sondern lediglich auf der vom Tiergarten umgebenen Straße des 17. Juni ihre Runde drehen.
Sollte die erwartete Zahl von 300.000 Teilnehmenden überschritten werden, seien Entlastungsflächen entlang der Route eingeplant, erklärte Ellen Dosch-Roeingh, PR-Frau der Rave The Planet GmbH und zugleich Ehefrau von Dr. Motte. Dort können die Musiktrucks dann verteilt und die Massenparty damit entzerrt werden. Eine große Bühne an der Siegessäule werde es dafür in diesem Jahr nicht geben.
Loveparade-Gründer Dr. Motte (bürgerlich: Matthias Roeingh) will die Eröffnungs-sowie die Abschlussrede halten und während der Parade die eigens neu kreierte Hymne mit dem Titel „Music Is The Answer“ (Musik ist die Antwort) spielen. Mit dem Song solle auch die Botschaft der Parade „Liebe, Frieden, Toleranz“ transportiert werden, so der 62-Kult-DJ. 19 Redner aus verschiedensten europäischen Städten sollen den politischen Charakter unterstreichen.
Das sind die Forderungen von „Rave the Planet“:
- Anerkennung der elektronischen Musikkultur als zu schützendes Kulturgut – begünstigt durch unseren laufenden Antrag zur Anerkennung der Technokultur als Immaterielles Kulturerbe der Unesco
- Gleichstellung der elektronischen Musikkultur mit allen anderen ... etablierten Kulturformen und -einrichtungen, sowie gleiche Ansprüche und Chancen auf staatliche Förderungen
- Schutz von Clubs und anderen Veranstaltungsorten als Kulturstätten
- Bedingungsloses Grundeinkommen für Künstler:innen und Kulturschaffende
- Einführung des gesetzlichen Feiertags „Tag der elektronischen Musikkultur“ jährlich am zweiten Samstag im Juli, dem traditionellen Tag der Berliner Loveparade
- Generelle und bundesweite Abschaffung von allen Tanzverboten, im Besonderen auch an christlichen Feiertagen
- Recht auf kulturelle und non-verbale Tanz- und Musikdemonstrationen, frei von Pflichtwortbeiträgen, damit Kundgebungen und Aufzüge, im Besonderen der elektronischen Musikkultur, grundsätzlich rechtssicher als Versammlungen im Sinne des Artikel 8 GG anerkannt werden
- Frieden und Abrüstung zwischen allen Menschen, in Worten und Taten
Geschichte der Loveparade
Die erste Loveparade startet 1989 in Berlin auf dem Kurfürstendamm. Damals fahren gerade mal rund 150 Technofans um DJ Dr. Motte unter dem Motto „Friede, Freude, Eierkuchen“ über den Boulevard.
Doch der kleine Techno-Umzug wuchs zwischen 1989 und 2006 in Berlin schnell zum Massenspektakel an. Höhepunkt war das Jahr 1999, als die Riesenparty rund 1,5 Millionen Raver zählte. Nach 2006 fand das Techno-Spektakel an verschiedenen Orten in Deutschland statt und endete 2010 in Duisburg in einer Katastrophe, als bei einer viel zu engen Routenführung eine Massenpanik ausbrach und 21 Menschen starben.