Es ist ein schwieriger Gang vor die Presse, den Kleinmachnows Bürgermeister Michael Grubert (SPD) am Freitag (21.7.) gehen muss. Für etwas mehr als 30 Stunden war die Gemeinde im Süden von Berlin das Zentrum einer groß angelegten Suche nach einem Raubtier. Ein Video, das ein junger Mann in der Nacht zu Donnerstag mit seinem Handy aufgenommen hatte, zeigte ein Tier, das möglicherweise eine Löwin sein konnte.
So jedenfalls hatte es die Polizei in der Nacht bewertet und die Suchaktion samt Warnmeldung an die Bevölkerung initiiert. Am Freitagmittag sind alle schlauer. Mehrere Experten haben die Videoaufnahmen mit Aufnahmen von Löwen verglichen und festgestellt, dass es sich bei dem gesuchten Tier nicht um eine Raubkatze und schon gar nicht um eine Löwin handeln kann.

Experten haben die Bilder und die Körperform verglichen

Warum? Weil die Hinterläufe einer Löwin schmaler sind, genauso wie der Hals und der Schwanz. Und auch der Rückenverlauf ist bei einem Löwen eher S-förmig, während ein Wildschwein einen eher runden Rücken hat – genauso, wie das Tier auf dem Video. Deshalb sind sich die Experten jetzt sicher: Es handelt sich bei dem Tier um ein Wildschwein.
Kleinmachnows Bürgermeister Michael Grubert informiert Journalisten über die Suche nach einem entlaufenen Raubtier. Am Freitag wurden die großflächigen Suchmaßnahmen eingestellt.
Kleinmachnows Bürgermeister Michael Grubert informiert Journalisten über die Suche nach einem entlaufenen Raubtier. Am Freitag wurden die großflächigen Suchmaßnahmen eingestellt.
© Foto: Paul Zinken/dpa
Es fällt Michael Grubert schwer, das alles zu erklären. Er hält Fotos von Cyber-Tracker hoch, mit denen der Vergleich gemacht wurde. Die Bilder wurden von Georg Messerer, einem professionellen Spurenleser mit einem CyberTracker-Zertifikat (einem internationelen Standard für Spurenlesung) zur Verfügung gestellt.

Sicherheit der Bevölkerung im Mittelpunkt

Grubert muss sich nun von den versammelten Journalisten eine Reihe unbequemer Fragen stellen lassen. Warum wurde diese Untersuchung nicht schon früher gemacht?
Weil erstmal die Sicherheit der Bevölkerung im Mittelpunkt gestanden habe. Die Polizei hatte in der Nacht zu Donnerstag im Rahmen der Gefahrenabwehr die gesamte Maschinerie in Bewegung gesetzt und daran geglaubt, dass es sich tatsächlich um ein Wildtier handeln könnte. Nach Angaben von Polizeisprecher Daniel Keip hatte in der Nacht ein Tierarzt die Aufnahmen bewertet. Und dann wurde das Tier ja angeblich mehrfach gesehen. Von einem Polizisten und später auch von Feuerwehrleuten – im Dunklen oder aus der Ferne.

Großer Aktionismus in der Gemeinde

Als dann am Donnerstagmorgen die Gemeinde Kleinmachnow und Bürgermeister Grubert einbezogen wurden, verfielen alle in Aktionismus, ohne die Auswertung zu hinterfragen. Bis zu hundert Sicherheitskräfte von Polizei, Feuerwehr und Jäger aus der Gemeinde Kleinmachnow suchen am Donnerstag nach dem Tier.
Zweifel kamen demnach erst am Nachmittag, als mehrere Experten anmerkten, sie sähen nur Wildschweine. Und als bei den umfangreichen Suchmaßnahmen nicht eine einzige wirkliche Spur auf eine große Raubkatze beziehungsweise eine Löwin hindeutete. Zwar wurden Kot-Proben genommen und ein Haar an das Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung nach Berlin geschickt, doch das Ergebnis wird erst am Samstag erwartet.

Nirgends wurde ein Tier vermisst

Dazu kam, dass niemand eine Löwin vermisste. Die Polizei hatte Zoos, Tierparks und Zirkusse in der Region überprüft. Das Landesamt für Umwelt teilte mit, im Tierbestandsverzeichnis seien 23 Löwen aus drei Zirkusunternehmen, zwei Zoos und einer privaten Haltung in Brandenburg erfasst. Der Polizei seien die Kontaktdaten übermittelt worden. Auch hier vermisste niemand eine Raubkatze.
Am Freitagvormittag wird dann noch einmal das gesamte Areal systematisch abgesucht. Ohne Erfolg. Deshalb verkündet Bürgermeister Grubert am Mittag: „Alle Hinweise führten ins Leere.“ Deshalb sei man sicher: „Es handelt sich nicht um eine Löwin.“ Das entspreche der Analyse von zwei unabhängigen Experten – einer davon aus Südafrika – die Körperform und Haltung des auf dem Video abgebildeten Tieres überprüft und verglichen hätten. Beide kamen zu dem Schluss, dass es sich keinesfalls um einen Löwen handele. Die Suche wurde beendet, Anwohner sollen trotzdem beim Joggen weiter aufmerksam sein.
Wie verhältnismäßig waren also die Suchmaßnahmen?
„Wir konnten nicht ausschließen, dass es ein Löwe ist“, sagt ein Polizeisprecher. Man würde zur Gefahrenabwehr auch wieder so handeln. Offen bleibt, wie teuer der Einsatz war und wer die Kosten dafür trägt. Am Ende vermutlich der Steuerzahler.