Beruf – Kindererziehung – Haushalt: Das ist das Dreieck, in dem sich Alleinerziehende meist befinden. Die Dreifachbelastung wird für viele zur Überlastung – auch weil eben ein Partner oder eine Partnerin fehlt, mit dem oder mit der die Aufgaben geteilt werden können.
Etwa 90.000 Familien mit einem alleinerziehenden Elternteil gibt nach Angaben des Familienministeriums in Brandenburg. Fast alle sind Frauen. Nach Auskunft der Selbsthilfegruppen Alleinerziehender (SHIA) beträgt ihr Anteil in Brandenburg 90 Prozent.
Laut amtlicher Statistik zählen Mütter und Väter, die ohne Lebenspartner oder Partnerin mit mindestens einem Kind unter 18 Jahren zusammenleben als alleinerziehend. Rechtlich ist die Definition anders. Dort gilt als alleinerziehend, wem das alleinige Sorgerecht für das Kind oder mehrere Kinder obliegt.
Corona hat die Situation verschärft
Die Corona-Pandemie hat die Situation von Alleinerziehenden in Brandenburg noch verschärft. „Viele von ihnen waren am Ende ihrer Kräfte“, sagt Raja Gripp vom Verband alleinerziehender Mütter und Väter in Brandenburg (VAMV). Während der Pandemie – insbesondere in den Zeiten eines Lockdowns – hätten sich fast täglich Frauen an den Verband gewandt mit der Bitte um Unterstützung. „Ich habe lange Gespräche geführt, denn die Mütter hatten oft niemanden zum Reden“, berichtet Gripp. Die Situation im Homeoffice ohne Kinderbetreuung habe viele an die körperliche und psychische Grenze der Belastbarkeit geführt, sagt sie.
Probleme mit den Arbeitgebern
Abgeschottet von der Welt hätten sie dazu finanzielle Sorgen gequält, denn häufig hätten sie Probleme mit ihren Arbeitgebern gehabt, denen das Verständnis für die besondere Situation gefehlt habe. „Ihre Lage wurde nicht bedacht“, lautet der Vorwurf von Raja Gripp an die Politik. Dazu kommt, dass Alleinerziehende oft in schlechter bezahlten Teilzeit-Jobs arbeiten, um die Kinderbetreuung absichern zu können. „Und wenn dann wegen der Kontaktbeschränkungen auch noch die Großeltern als Bezugspersonen ausfielen, haben die Alleinerziehenden besonders gelitten“, so Gripp.
„Lasst uns nicht allein!“ – ist der Titel eines Buches, das der Brandenburger Journalist Rocco Thiede aus Woltersdorf gemeinsam mit Gunter Thielen, dem Vorstandvorsitzenden der Walter Blüchert Stiftung geschrieben hat. Ein Arbeitsschwerpunkt der Stiftung widmet sich der Unterstützung von Alleinerziehenden. Der Untertitel des Buches lautet: „Was Alleinerziehende und ihre Kinder nach der Trennung brauchen“. In Reportagen und Interviews erzählen alleinerziehende Mütter und Väter ihre Geschichten.
Hilfe im Bindungsprogramm „wir2 für Alleinerziehende“
Der Autor Rocco Thiede ist selbst Vater von sechs Kindern und sagt: „Das Thema ist wichtig, weil ich schon immer gestaunt habe, wie Alleinerziehende den Alltag bewältigen.“ Hintergrund für sein Buch ist das Bindungsprogramm „wir2 für Alleinerziehende“, das sich an Ein-Eltern-Familien richtet, die sich professionelle Unterstützung im Alltag wünschen. Mit dem Bindungstraining sollen sie Kraft und Selbstbewusstsein für das Leben als Familien-Alleinverantwortliche finden.
„Viele Alleinerziehende verlieren nach einer Trennung die Bindung zu ihren Kindern. Das Programm soll ihnen helfen, eine innere Balance zu finden und so den Alltag besser zu bewältigen“, sagt der Autor.
Schicksal ist oft mit Scham behaftet
Der Kontakt zu den 18 Frauen und 2 Männern, deren Geschichte erzählt wird, erfolgte durch die Walter Blüchert Stiftung. „Ich brauchte eine Brücke zu den Betroffenen – viele von ihnen wollen mit ihrem Schicksal nicht an die Öffentlichkeit, denn es ist mit Scham behaftet“, sagt der 59-jährige Autor. „Oft fühlen sie sich als Versager“, erklärt er. Doch die, die sich ihm geöffnet haben, berichten mit großer Klarheit ihre oft erschütternden Erlebnisse, teilweise von ihrer eigenen Kindheit – die bereits geprägt war von Missbrauch und Trennung der Eltern – bis zur Überforderung und Einsamkeit im Alltag, die auch das Zusammenleben mit den eigenen Kindern erschwert. Die Namen hat Rocco Thiede teilweise anonymisiert – nicht selten zum Schutz der Betroffenen, die sich manchmal noch in Rechtsstreitigkeiten mit Ex-Partnern befinden – oder die sonst sogar deren Gewaltreaktion befürchten müssen.
Was brauchen Alleinerziehende? „Es gibt ja bereits viele Bücher für Alleinerziehende“, so Thiede. Das Bindungsprogramm sei wissenschaftlich belegt. Es gibt vier verschiedene Formen von wir2 – von digitalen Kompaktkursen bis zum sechswöchigen Reha-Programm. Es geht um den Austausch mit anderen, die Beleuchtung der eigenen Situation, auch die Kinder werden partiell einbezogen. Ziel ist es, die Kompetenz als Eltern zu stärken und die seelischen Belastungen zu reduzieren. Das Programm ist kostenfrei, aber es wird durch unterschiedliche Träger angeboten.
Thiede sieht sein Buch als Ratgeber für die, die als Alleinerziehende Unterstützung suchen. Aber es ist auch Lesestoff. „Hier geht es darum zu erfahren: Wie geht es den anderen“, so der gebürtige Cottbuser, der überzeugt ist, dass sich Betroffene in den Geschichten wiederfinden.
In Berlin wird das Programm „wir2“ von der Stiftung SPI, Sozialpädagogisches Institut Berlin „Walter May“ angeboten. Das Bindungstraining wir2 ist ein Angebot für alleinerziehende Mütter und Väter, die sich in einer belastenden Situation Unterstützung wünschen. 20 Gruppensitzungen sollen dabei helfen, Balance herzustellen, Bindung aufzubauen und Beziehung zu stärken. Ansprechpartner und Kontakte gibt es hier.
Buchtipp
Prof. Gunter Thielen (Hg.), Rocco Thiede:
Lasst uns nicht allein!
Was Alleinerziehende und ihre Kinder nach der Trennung brauchen
Klappenbroschur, 256 Seiten; 18 Euro
ISBN 978-3-451-38762-3
Herder-Verlag 2022
Lasst uns nicht allein!
Was Alleinerziehende und ihre Kinder nach der Trennung brauchen
Klappenbroschur, 256 Seiten; 18 Euro
ISBN 978-3-451-38762-3
Herder-Verlag 2022
Als E-Book:
13,99 Euro
ISBN 978-3-451-82729-7
Das Buch von Rocco Thiede ist am 13. Juni 2022 erschienen.
13,99 Euro
ISBN 978-3-451-82729-7
Das Buch von Rocco Thiede ist am 13. Juni 2022 erschienen.
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