Briefe ihres Stromanbieters sind derzeit für viele Brandenburger Hiobsbotschaften. So erging es etwa einer Familie aus dem Landkreis Oberhavel. „Angesichts der insgesamt deutlich veränderten Kosten bedauern wir es sehr, dass wir ab dem 1. März 2023 die Arbeitspreise für Ihren Tarif E.ON Grundversorgung Strom erhöhen müssen“, schrieb E.ON Energy Deutschland ihren Brandenburger Kunden.
Die eigentliche Ernüchterung folgte auf Seite drei des Schreibens. Dort steht der neue Arbeitspreis: 55,86 Cent pro Kilowattstunde brutto. Oder anders gesagt: Eine Stunde Staubsaugen auf mittlerer Stufe kostet ab März knapp 56 Cent. Bisher kostete das rund 33 Cent. Das ist noch keine Verdopplung, aber aus Sicht der Betroffenen ein gepfefferter Aufschlag.
Strom wird rund 700 Euro teurer im Jahr
Für diesen Haushalt in Oberhavel mit rund 3200 kWh Stromverbrauch im Jahr werden nun fast 1800 Euro statt rund 1090 Euro im Jahr fällig. Während Steuern, Abgaben und Umlagen sinken, wird Beschaffung und Vertrieb dem Schreiben zufolge deutlich teurer: Hier steigt der Preis um fast 14 Cent pro Kilowattstunde. Auch die Netzentgelte legen kräftig zu – um rund 5 Cent pro Kilowattstunde. Darin spiegeln sich die Kosten für den Ausbau der Stromnetze.
In Brandenburg steigen die Preise besonders – Berlin steht besser da
Nach Daten des Portals Stromauskunft sind Stand Januar ausgerechnet im Grünstrom produzierenden Norden die Preise am höchsten – in Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg. In Oberhavel zahlt man demnach bei einem lokalen Anbieter 1986 Euro im Jahr. Beim günstigsten Stromverkäufer sind es 1455 Euro. In Märkisch-Oderland liegt diese Spanne zwischen 2195 Euro und 1375 Euro. Im vergleichsweise grünen Bereich liegt Berlin mit 1572 Euro (lokaler Anbieter) und 1280 Euro (günstigster).
Wie lange man bei der Verbraucherzentrale auf einen Beratungstermin wartet
E.ON ist kein Einzelfall – die meisten Versorger haben ihre Energiepreise schon zum 1. Januar erhöht. Die Verbraucherzentrale Brandenburg (VZB) spürt das an den Anfragen, die sie erreichen. Rund drei Viertel davon betreffen Energie. Wartezeiten für einen telefonischen Beratungstermin liegen bei zwei Wochen, teilt die VZB mit. Wem eine solche Preiserhöhung ins Haus kommt, der sollte zunächst prüfen, ob sie berechtigt ist, rät Rico Dulinski, Rechtsreferent bei der Verbraucherzentrale. „Bei Verträgen mit noch laufender Preisgarantie kann dies zum Beispiel ausgeschlossen oder nur begrenzt auf staatliche Abgaben und Netzentgelte möglich sein. In solchen Fällen lohnt es sich, einen Widerspruch gegen die Preiserhöhung zu prüfen.“ Widersprechen kann man auch, wenn die Form oder Frist nicht gewahrt ist und zum Beispiel auf das Sonderkündigungsrecht nicht hingewiesen wurde.
Für wen kann sich ein Wechsel in die Grundversorgung lohnen?
Bei der Familie aus Oberhavel ist das alles nicht der Fall. Das Schreiben scheint korrekt. Die Familie bezieht Strom in der Grundversorgung – also ohne lange Vertragslaufzeit. Grundversorgung galt bislang als vergleichsweise teuer – das hat sich allerdings in der Energiekrise teils geändert. Ob es lohnt, in den Grundpreis zu wechseln, sollte man im Einzelfall prüfen, empfiehlt Dulinski. Das hängt auch von der eigenen Flexibilität ab. Grundversorger können ihre Konditionen relativ schnell ändern – nämlich immer zum Monatsersten mit einer Frist von sechs Wochen. „Ist man entsprechend flexibel, ist die Grundversorgung eine Option.“
Wo liegen die Preise auf den Vergleichsportalen?
Wer sich auf den Vergleichsportalen wie verivox oder check.24 umschaut, findet günstigere Preise als 56 Cent pro Kilowattstunde. Bei Verträgen mit einer Laufzeit von zwölf Monaten liegen sie um die 40 Cent, teils auch darunter. Viele dieser Anbieter verkaufen Ökostrom. Die Verbraucherschützer raten, sich den neuen Lieferanten bei einem Wechsel genau anzuschauen. In der Energiekrise hatten etwa Billiganbieter ihren Kunden kurzerhand den Stuhl vor die Tür gestellt, weil sie die explodierenden Preise an den Strommärkten nicht mehr zahlen konnten. Verbraucherschützer empfehlen, auch in die Veröffentlichungen zu Urteilen und Abmahnungen der Verbraucherzentralen zu schauen.
Wie funktioniert die Preisbremse?
Selbst wenn die Familie aus Oberhavel nicht kündigt und einen neuen, günstigeren Vertrag abschließt: Den Preis von 56 Cent pro Kilowattstunde müsste sie nur im Januar und Februar zunächst bezahlen. Dann greift die staatliche Preisbremse, die die Kosten auf 40 Cent pro Kilowattstunde deckelt – für 80 Prozent des Jahresverbrauchs. Was im Januar und Februar zu viel gezahlt wurde, erhalten die Kunden mit der Abschlagszahlung im März zurück, informiert E.ON auf seiner Website.
Manche Kunden fragen sich angesichts gepfefferter Rechnungen aber auch, ob schwarze Schafe noch einmal kräftig Preise treiben, um möglichst viel von der staatlichen Erstattung zu profitieren. Denn die Versorger bekommen die Differenz zwischen ihrem Arbeitspreis und dem Deckel-Preis erstattet. Der Verband der Kommunalen Versorger hat erst vor Kurzem öffentlich widersprochen, dass Stadtwerke „Mondpreise“ verlangen würden. Kunden müssten sich angesichts der Energiekrise auf eine Verdopplung der Preise einstellen.
Wer bei einem Missbrauch einschreiten muss
Was gerechtfertigt ist und was nicht, ist nicht nur für Kunden schwer nachzuvollziehen. „Inwieweit die Versorger von den staatlichen Preisbremsen ‚kräftig‘ profitieren, können wir nicht beurteilen“, sagt Verbraucherschützer Dulinski. Die Preisbremse-Gesetze verbieten den Missbrauch. Das Bundeskartellamt muss in solchen Fällen einschreiten und hat im Dezember begonnen, eine eigene Abteilung aufzubauen, die in Verdachtsfällen prüfen soll, ob Preise ungerechtfertigt erhöht wurden. „Viele Bürgerinnen und Bürger haben dem Amt in den vergangenen Wochen ihre Benachrichtigungen über Preiserhöhungen für Gas, Strom und Fernwärme mit der Bitte um Prüfung geschickt“, teilt das Kartellamt mit und verweist darauf, dass es die falsche Stelle für Beschwerden sei.
Auch das Landeskartellamt bekommt seit 2021 vermehrt Beschwerden, sagt Irene Beringer, Sprecherin im Brandenburger Wirtschaftsministerium. Das Kartellamt des Landes gehört zum Wirtschaftsministerium und ist für die Grund- und Ersatzversorgung zuständig, die regional geregelt ist. Allerdings ist die Aufgabe der Kartellämter, über den Schutz des Wettbewerbes auf dem Energiemarkt zu wachen, nicht über den der Verbraucher. Eine Befugnis zur allgemeinen Preisüberwachung oder Preisregulierung haben sie laut Kartellrecht nicht.
Wo Streit kostenlos geschlichtet werden kann
Zuständig für die Verbraucher sind – die Verbraucherschützer. Sie prüfen anhand der Vertragsunterlagen, ob die Erhöhung berechtigt ist und besprechen mit den Betroffenen, ob sie widersprechen, akzeptieren oder wechseln sollten, erklärt Dulinski. Eine andere Möglichkeit bei Problemen mit Energieversorgern kann auch sein, die Schlichtungsstelle Energie einzuschalten. Dort können Betroffene bei Streitigkeiten ein kostenfreies Schlichtungsverfahren beantragen. Informationen zum Beschwerde- bzw. Schlichtungsverfahren gibt es bei der Bundesnetzagentur.
Grundsätzlich gilt – wer sich übervorteilt fühlt, sollte über einen Anbieterwechsel nachdenken. Die Familie aus Oberhavel hat sich noch nicht entschieden. Sie will jetzt Preise vergleichen.
Einladung zum Gespräch mit dem Kanzler
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) reist durch alle Bundesländer, um mit den Menschen vor Ort ins Gespräch zu kommen. Am 7. März wird er sich in Cottbus den Fragen der Brandenburger stellen –
150 Menschen können teilnehmen. Organisiert wird die Talkrunde von der Lausitzer Rundschau und der Märkischen Oderzeitung. Das Bürgergespräch ist themenoffen, alle Fragen sind erlaubt.
150 Menschen können teilnehmen. Organisiert wird die Talkrunde von der Lausitzer Rundschau und der Märkischen Oderzeitung. Das Bürgergespräch ist themenoffen, alle Fragen sind erlaubt.
Wer mitmachen möchte, muss älter
als 16 Jahre sein und kann sich über Anmeldeformulare bewerben.
Alle weiteren Infos
gibt es unter:
www.lr.de/kanzlergespraech.
als 16 Jahre sein und kann sich über Anmeldeformulare bewerben.
Alle weiteren Infos
gibt es unter:
www.lr.de/kanzlergespraech.