Wie ein Ufo scheint die neue Stromtankstelle in Prenzlauer Berg gelandet zu sein. Nicht einmal vier Wochen waren nötig, um das schicke Carport-artige Gebilde mit vier überdachten Schnell-Lademöglichkeiten für E-Autos an der Hermann-Blankenstein-Straße 48 zu errichten. Tiefbau und die Verlegung neuer Leitungen waren nicht nötig.
Denn der Strom kommt vom „Frischeparadies“ nebenan, einem Feinkost-Supermarkt mit angeschlossenem Bistro, in dem die Autofahrer wie an einer herkömmlichen Tankstelle auch auf Toilette, Kaffeetrinken und einkaufen gehen können.

Barrierefrei und für alle Ladedosen

Ob man vorwärts oder rückwärts einparkt, ist egal. Denn die Zapfschläuche hängen an großen wendigen Schwenkarmen. „Damit lassen sich die Autos über die gesamte Breite barrierefrei laden, unabhängig von der herstellerindividuellen Position der Ladedose“, erklärt Projektleiter Elias Hammer bei der Einweihung des neuen „Audi charging hub“.
Es ist der erste seiner Art in Berlin. Vorgänger gibt es schon in Nürnberg und Zürich. Den Standort in der Nähe des S-Bahnhofs Storkower Straße unweit der Ost-West-Tangente an der Bundestraße 1 und in Fußnähe zu einem Wohnkiez wurde ganz bewusst gewählt. „Die Nähe zur Altbau-Wohnbebauung spricht auch die Kunden an, die in ihren Wohnungen oder Immobilien nicht über die Elektro-Infrastruktur für schnelles Laden verfügen“, erklärt der Projektverantwortliche Elias Hammer.
Elias Hammer, Projektleiter des neuen "Audi charging hub" zeigt einen der Schwenkarme, mit denen sich die E-Autos über ihre gesamte Breite barrierefrei laden lassen – unabhängig von der herstellerindividuellen Position der Ladedose.
Elias Hammer, Projektleiter des neuen „Audi charging hub“ zeigt einen der Schwenkarme, mit denen sich die E-Autos über ihre gesamte Breite barrierefrei laden lassen – unabhängig von der herstellerindividuellen Position der Ladedose.
© Foto: Maria Neuendorff
Auf einem großen Bildschirm an der neuen Stromtankstelle können Autofahrer sehen, was sie in der maximalen Ladezeit von 45 Minuten in der Gegend unternehmen können. Neben dem Frischeparadies, mit dem Audi offiziell kooperiert, werden unter anderem auch eine nahe Grünanlage zum Füßevertreten sowie ein Drachenspielplatz angepriesen.
Doch nur Audi-Kunden können über eine firmeneigene App die Ladestation im Vorfeld reservieren. Eine Kilowattstunde Strom kostet für sie 36 Cent. Alle anderen zahlen 50 Cent, was derzeit auch noch ein Schnäppchen ist.
Zum Vergleich: Wer zum Beispiel mit der EnBW mobility+ App an verschiedenen Ladepunkten in Berlin Strom zapft und dabei noch den Rabatt für ADAC-Mitglieder einheimst, zahlt derzeit durchschnittlich 60 Cent für die Kilowattstunde. Der durchschnittliche Verbrauch auf 100 Kilometer liegt bei 16,7 bis 30,9 Kilowattstunden. So liegen die Kosten für eine Fahrt auf der Strecke im Schnitt zwischen 6,40 Euro und 11,60 Euro.

Stromtanken mit EC-Karte

Bezahlt werden kann an den Audi-Strom-Zapfsäulen auch einfach mit EC-Karte, was noch längst nicht üblich ist. Das Gesetz, dass diese Möglichkeit an allen Ladestationen Pflicht wird, sollte eigentlich in diesem Jahr verabschiedet werden, wurde aber verschoben.
Unweit der beiden großen Berliner Ausfallstraßen Landsberger Allee und Frankfurter Allee kann man sein Auto jetzt an der neuen Stromtankstelle laden.
Unweit der beiden großen Berliner Ausfallstraßen Landsberger Allee und Frankfurter Allee kann man sein Auto jetzt an der neuen Stromtankstelle laden.
© Foto: Maria Neuendorff
Zumeist braucht es Ladekarten, die nur für bestimmte Säulen verwendet werden können, also nicht überall funktionieren. Daneben gibt es Apps, die aber auch nicht überall gültig sind. Mit der EC-Karte zu bezahlen, ist zudem derzeit meist teurer als mit einer App. Dazu kommt, dass auch immer wieder Säulen längere Zeit kaputt sind – denn Monteure und Ersatzteile sind Mangelware.
Doch es scheint langsam aufwärtszugehen. Im neuen Koalitionsvertrag der schwarz-roten Regierung wurde gerade die Errichtung von 2000 neuen Ladepunkten pro Jahr für E-Fahrzeuge in Berlin vereinbart. Vorrang dabei sollen Schnellladesäulen an Tankstellen haben, heißt es.
Nachdem das Pilotprojekt, auch herkömmliche Straßenlaternen zu Ladesäulen umzurüsten, im vergangenen Jahr noch stockte, kommt man inzwischen gut voran. „Im ersten Quartal 2023 wurden bereits über 220 neue Ladepunkte mit einer Leistung von 3,7 Kilowatt im öffentlichen Straßenraum installiert“, heißt es von der Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz.

1000 neue Ladepunkte an Straßenlaternen

Zu den Pilot-Bezirken Marzahn-Hellersdorf und Steglitz-Zehlendorf werden nun auch Treptow-Köpenick, Reinickendorf und Spandau dazukommen. Hierfür würden derzeit noch Netzanschlüsse und die verkehrliche Eignung von Lichtmasten geprüft. In Marzahn-Hellersdorf müssen zum Beispiel alte Betonmasten gegen neue ersetzt sowie die Netzanschlüsse erneuert werden. „So könnten demnächst auch vermehrt Laternenladepunkte in den Großwohnsiedlungen errichtet werden“, heißt es.
Bis Ende 2023 sollen im Auftrag des Landes Berlin insgesamt bis zu 1.000 Berliner Straßenlaternen zu Ladestationen für E-Autos umgerüstet werden. Dazu wollen die Berliner Stadtwerke bis Ende dieses Jahres 240 neue Ladepunkte an klassischen Stationen installieren. 50 mit jeweils 11 Kilowatt Ladeleistung sind schon in Betrieb. Dazu werden weitere Ladesäulen im öffentlichen Raum von dritten Betreibern errichtet.
Die Senatsverwaltung hat dazu Vorplanungen mit einer Reihe von privaten Betreibern abgeschlossen, die in der Hauptstadt Ladestationen errichten wollen. Darunter sind unter anderem Firmen wie Ladegrün! eG, On Charge GmbH, Qwello GmbH, TotalEnergies Charging Solutions Deutschland GmbH, EZE.network GmbH, E.ON Drive Infrastructure GmbH, TEK Netz Europe GmbH. „Erste Genehmigungen für die Umsetzung wurden von den Bezirken bereits erteilt“, heißt es von der Behörde
Inzwischen gibt es in Berlin insgesamt rund 2.280 öffentlich zugängliche Ladepunkte. Davon befinden sich 1.460 im öffentlichen Raum. Die Ladeinfrastruktur auf privatem Grund befindet sich zum Beispiel auf Kundenparkplätzen vor Supermärkten, in Tiefgaragen oder auf Firmenparkplätzen. Eine Übersicht über die E-Auto-Lademöglichkeiten bietet der Energieatlas Berlin.
Bis Ende 2023 sollen im Auftrag des Landes Berlin insgesamt bis zu 1000 Berliner Straßenlaternen zu Ladestationen für E-Autos umgerüstet werden.
Bis Ende 2023 sollen im Auftrag des Landes Berlin insgesamt bis zu 1000 Berliner Straßenlaternen zu Ladestationen für E-Autos umgerüstet werden.
© Foto: ubitricity
Die Versorgung von Ballungsräumen ist aber im Vergleich mit der Zunahme von E-Autos noch gering. Projekte wie bei den Neubauten am Freudenberger Weg in Berlin-Spandau sind momentan eher noch die Seltenheit. Für die Versorgung der Mieter wurden insgesamt fünf Photovoltaik-Anlagen auf begrünten Dächern installiert. Dazu hat die Berliner Energieagentur acht Ladesäulen zum Laden von Elektroautos in den Tiefgaragen aufgestellt, die mit dem Strom aus den PV-Anlagen oder Ökostrom gespeist werden.

Alte Autobatterien als Zwischenspeicher

Auch die neue E-Tankstelle in Prenzlauer Berg hat eine Photovoltaikanlage auf dem Dach. Daneben zieht sie den Strom einfach aus dem normalen Netz.
Damit es bei hohem Verbrauch nicht zu Leistungsschwankungen kommt, nutzen die Entwickler ausrangierte Elektroauto-Batterien aus zerlegten Audi-Erprobungsfahrzeugen als Zwischenspeicher. „So können wir zu jeder Zeit eine Ladeleistung von 320 kW garantieren“, erklärt Projektleiter Hammer. Die gebrauchten, aber besonders leistungsfähigen Batterien bekämen dagegen ein zweites Leben.
Die neue Stromtankstelle an der Hermann-Blankenstein-Straße 48 bezieht Unterstrom vom "Frischeparadies".
Die neue Stromtankstelle an der Hermann-Blankenstein-Straße 48 bezieht Unterstrom vom „Frischeparadies“.
© Foto: Maria Neuendorff
„Weil wir als Unterverbraucher mit an das Stromnetz vom Frischeparadies angeschlossen sind, messen wir mithilfe unserer selbst entwickelten dynamischen und intelligenten Lastregelung, welche Leistung das Frischeparadies gerade aus dem Netz bezieht“, betont Hammer. „So laden sie nur nach, wenn unser Partner keine hohe Last aus dem Netz benötigt, und brauchen keinen zusätzlichen Stromanschluss.“

Hauptstadtkonferenz Elektromobilit am 1. Juni

Der Ausbau der Ladeinfrastruktur wird auch Thema auf der Hauptstadtkonferenz Elektromobilit am 1. Juni im Roten Rathaus in Berlin sein. Für die Teilnahme vor Ort kann man sich bis zum 24. Mai unter unter www.emo-berlin.de anmelden. Zudem kann man die Veranstaltung von 9 bis ca 16.30 Uhr auch über einen Livestream verfolgen, für den man sich bis zum 26. Mai ebendalls über die oben genannte Webseite registrieren muss.