Es ist der 29. Dezember 1998 und kalt in Berlin. Doch die zwei Freunde Ulrich und Thomas wollen die Silvesternacht auf ihrem Faltboot unter freiem Himmel verbringen. In Rheinsberg lassen sie ihr Boot zu Wasser. Seitdem hat niemand mehr etwas von den beiden jungen Männern gehört. Mehrere Augenzeugen geben zwar an, das Paddler-Duo an den nächsten Tagen gesehen zu haben. Doch nur ihr Boot wurde am 16. Januar 1999 wiedergefunden.
Ein derartiges Verschwinden ist kein Einzelfall. Aktuell gelten in Brandenburg laut dem Landeskriminalamt 415 Personen als vermisst (Stand: 20. Juli 2022). Einige dieser Vermisstenfälle gehen bis in die Zeit der DDR zurück.
Jörn Bourry – das am längsten vermisste Kind in Brandenburg
Es ist der 4. Juni 1975. Der 12-jährige Jörn Bourry aus Schönow bei Bernau wohnt bei seiner Oma und soll am Nachmittag seiner Mutter ein wenig Geld vorbeibringen, die nur zehn Minuten entfernt lebt. Er ist ein aufgewecktes Kind, aber dennoch ein Einzelgänger. An diesem Tag ist seine Mutter nicht zu Hause. Für diesen Fall haben beide einen Ort ausgemacht, an dem das Geld abgelegt werden soll. Es bleibt jedoch unauffindbar. Genau wie Jörn Bourry, der an diesem Tag spurlos verschwindet. Eine Postfrau soll noch gesehen haben, wie der 12-Jährige über den Gartenzaun des Hauses seiner Mutter klettert. Doch zu seiner Großmutter ist er nie zurückgekehrt.
Seit 47 Jahren ist Jörn Bourry vermisst. 2008 öffnete die Polizei erneut seine Akte. Die Beamten entnehmen den Eltern DNA-Substanz. Damit sollte versucht werden, die Erbinformationen des Jungen zu rekonstruieren. Falls eine Leiche gefunden wird, kann die DNA von Jörn Bourry mit der Leiche verglichen werden. Erfolge gibt es keine. Es bleiben nur zwei Theorien. Entweder ist er von zu Hause ausgerissen oder wurde Opfer eines Gewaltverbrechens. Seiner Oma soll er erzählt haben, dass er sich bei seinen Eltern nicht mehr wohlfühle. Vor seinem Vater versteckte er sich. 2009 wurde seine Akte wieder geschlossen. Es gibt bis heute keine neuen Hinweise, was mit dem Jungen vor 47 Jahren passiert ist.
Dirk Lunkwitz – alleinerziehender Vater aus Brandenburg spurlos verschwunden
Seit dem 21. August 2011 ist der 36-jährige Dirk Lunkwitz aus Zeckerin (Landkreis Elbe-Elster) wie vom Erdboden verschluckt. Der gelernte Verfahrensmechaniker und Trockenbauer lebte getrennt von seiner Frau und kümmerte sich seitdem um die beiden gemeinsamen Kinder, den elfjährigen Benjamin und die neunjährige Marie. Am Tag seines Verschwindens führt Dirk Lunkwitz ein kurzes Telefonat und will danach ins fünf Kilometer entfernte Sonnewalde radeln. Dort kommt er aber nie an. Am Ortsausgang von Zeckerin verliert sich seine Spur.
Als ihr Vater am Abend noch immer nicht zurück ist, rufen die Kinder ihre Oma an. Ursula Knobloch sagt bei der Sendung Fahndung Deutschland über ihren Sohn, dass er nicht einfach weggegangen wäre, dass er ein Familienmensch gewesen sei. Sie meldet Dirk Lunkwitz noch in derselben Nacht als vermisst. Die Polizei startet daraufhin eine großangelegte Suchaktion, bei der Spürhunde, Polizeitaucher und Hubschrauber mit Wärmebildkamera zum Einsatz kommen. Aber weder der heute 47-Jährige, noch sein Fahrrad werden jemals gefunden.
Vermisstenfälle in Brandenburg
- Laut Landeskriminalamt gelten in Brandenburg derzeit 415 Menschen als vermisst (Stand: 20. Juli 2022)
- Über die Hälfte der Personen werde bereits länger als ein halbes Jahr vermisst. Bei einem Großteil dieser Vermissten handelt es sich um minderjährige Geflüchtete, die beispielsweise in ein anderes Land weitergereist sind und deshalb als vermisst gemeldet wurden.
- Gründe werden in Vermisstenmeldungen nicht immer angegeben. Bei Erwachsenen würden häufig Beziehungsprobleme, Probleme am Arbeitsplatz, Freitodgefahr, finanzielle und psychische Probleme oder Erkrankungen wie Demenz angegeben.
Aber nicht nur Vermisstenfälle stellen die Polizei vor Rätsel. Auch Mordfälle aus der Region konnten nach mehreren Jahren nicht aufgeklärt werden.
Petra Born – ungeklärter Mord an dreifacher Mutter
Es war ein sonniger Tag im Sommer 1995: Die damals 35-jährige Petra Born aus Uebigau (Elbe-Elster) will gegen 16.30 Uhr von einer Familienfeier in Falkenberg nur kurz zu ihren Eltern, die in der gleichen Stadt leben. In der Theodor-Körner-Straße wird die Mutter von drei Kindern – vier, elf und zwölf Jahre alt – zum letzten Mal gesehen. Nach polizeilichen Ermittlungen ist sie dort in das Auto ihres vermutlichen Mörders eingestiegen. Es ist der erste Mordfall nach der Wende im Landkreis Elbe-Elster, woraufhin eine Sonderkommission gebildet wird. Inmitten einer groß angelegten Suchaktion auf dem ehemaligen Flugplatz in Lönnewitz erhält der Einsatzleiter eine Woche nach dem Verschwinden von Petra Born dann eine Mitteilung: Ein Revierförster hat bei einem Rundgang eine leblose Frau in einem Waldstück nahe des ehemaligen Falkenberger Klärwerks gefunden. Es ist Petra Born. Sie wurde erstochen und bestialisch zugerichtet.
Freunde, Nachbarn, Bekannte, Arbeitskollegen, Personen, die irgendwie in Zusammenhang mit der Mutter standen, seien damals befragt worden. Selbst bei der Beerdigung hätte die Kripo die Trauergäste registriert. Es folgen Jahre der Ungewissheit, bis schließlich ein Hoffnungsschimmer aufkommt. Im Dezember 2002 sitzt ein 47-jähriger Mann aus der sächsischen Stadt Torgau in Untersuchungshaft und die Kripo glaubt, den Täter gefunden zu haben. Ein Irrtum, wie sich später herausstellt. Auch 2010 gibt es neue Hinweise, dennoch bleibt der Ermittlungserfolg aus. Mittlerweile liegt die Tat mehr als 27 Jahre zurück und noch immer konnte der Täter nicht ermittelt werden.
Steffen Meyer – Polizistenmord in Lauchhammer
Es ist der 23. November 2009. Der Polizist Steffen Meyer hat bereits Dienstschluss. Er verlässt, den Angaben seiner Frau zufolge, noch einmal das Haus, um sein Auto in einem Garagenkomplex in Lauchhammer abzustellen. Als er nach längerer Zeit nicht zurückkommt, entscheidet seine Frau, nach ihm zu sehen. Sie findet ihren Mann tot vor der Garage liegend.
Dem Familienvater wurde in die Brust und den Rücken gestochen. Zudem hatte er Verletzungen am Kopf. Das Auto des Polizisten war verschwunden. Die Polizei findet es einen Tag später in Blochwitz in Sachsen. Der mutmaßliche Dieb wurde kurz zuvor noch mit dem Auto geblitzt. Auf Grundlage des Blitzerfotos konnte ein 37-jähriger Mann aus Gröditz festgenommen werden. Jedoch hob das Amtsgericht in Cottbus den Haftbefehl, aufgrund fehlender Beweise, wieder auf. Die Ermittlungen umfassten 30 Beamte, die für die Sonderkommission „Garage“ beschäftigt waren, mehr als 200 Zeugen wurden vernommen und 1000 Hinweise ausgewertet. Trotz des enormen Arbeitsaufwandes konnte bis heute kein Täter gefasst werden.
Brandenburg hat eine besondere Mordkommission
In der „Mordkommission Altfälle“ befasst sich das Landeskriminalamt Brandenburg derzeit mit 88 Alt- sowie 26 Vermisstenfälle mit Straftatverdacht. Die Abteilung in Eberswalde hat seit 2011 alte Tötungsdelikten auf dem Tisch oder Vermisstenfällen, hinter denen ein Tötungsdelikt vermutet wird. So konnte unter anderem den Fall der 15-jährigen Andrea S. aufgeklärt werden. Das Mädchen wurde 1991 in der Uckermark ermordet. 2011 bringt sich ein Mann nach dem Aufruf zu einem Massengentest um. In seinem Abschiedsbrief fanden die Beamten Hinweise darauf, dass er der Täter war. Im Jahr 2021 wurden 41 Fälle von Mord und Totschlag (2020: 43 Fälle) erfasst. Insgesamt konnten davon 16 Fällen aufgeklärt werden.
Altfall – kein Opfer ist je vergessen
Wann wird ein Ermittlungsverfahren zum Altfall?
► Es muss sich um ein nicht verjährtes Tötungsdelikt oder Schwerbrechen handeln.
► Die polizeilichen Ermittlungen müssen, aufgrund fehlender Ermittlungsansätze, abgeschlossen seien.
► Die zuständige Staatsanwaltschaft muss das Verfahren eingestellt haben.
Wie wird entschieden, welcher Fall nochmal untersucht wird?
► neue technische Entwicklungen, wie beispielsweise bei der DNA-Analyse
► drohende Verjährung
► neue Ermittlungsansätze
► neue Verdächtige
► Es muss sich um ein nicht verjährtes Tötungsdelikt oder Schwerbrechen handeln.
► Die polizeilichen Ermittlungen müssen, aufgrund fehlender Ermittlungsansätze, abgeschlossen seien.
► Die zuständige Staatsanwaltschaft muss das Verfahren eingestellt haben.
Wie wird entschieden, welcher Fall nochmal untersucht wird?
► neue technische Entwicklungen, wie beispielsweise bei der DNA-Analyse
► drohende Verjährung
► neue Ermittlungsansätze
► neue Verdächtige
Sie möchten bei der Suche nach vermissten Personen helfen, haben wertvolle Hinweise oder die vermisste Person sogar gesehen? Das Landeskriminalamt Brandenburg veröffentlicht auf seiner Internetseite aktuell laufende Suchen nach verschwundenen Personen. Hinweise nimmt jede Polizeidienststelle entgegen. Des Weiteren kann auch das Online-Formular für Hinweise genutzt werden.