Der Startschuss kam mit dem Jahreswechsel– theoretisch: 2023 soll die Planung für den sechsspurigen Ausbau der Autobahn 12 zwischen Berlin und Frankfurt (Oder) beginnen. So lautete die Antwort des Bundesverkehrsministeriums (BMDV) vor einem Jahr, als dieses Nachrichtenportal nachfragte. Als Grund nannte das von Volker Wissing (FDP) geführte Ministerium den wachsenden Verkehr auf der Ost-West-Verbindung innerhalb der EU.
Doch der Aus- und Neubau von Autobahnen sorgt aktuell für Streit innerhalb der Regierungskoalition. Im Dezember berichtete das Wochenmagazin „Der Spiegel“ über einen Gesetzesentwurf, nach welchem Genehmigungen im Verkehrsbereich beschleunigt werden sollten.
Wie geht es mit der A12 und A13 weiter?
Bis heute ist daran pikant, dass dies ebenfalls bestimmte Straßen umfassen soll. In der Einschätzung des Bundesumweltministeriums würden priorisierte Neu- oder Ausbauten von Autobahnen jedoch die Klimaschutzziele unterwandern. Einen Kompromiss konnten die Ampelpartner bislang nicht erzielen. Fragen zum aktuellen Stand beim angesetzten Ausbau der A12 und A13 ließ das Bundesverkehrsministerium bislang unbeantwortet.
Je nachdem wie das Gesetz ausfällt, könnte es sich wesentlich auf die Kraftverkehrsachsen in Brandenburg auswirken. Bei der A12 ist die zuständige Autobahn GmbH noch ganz am Anfang bei der Grundlagenermittlung, heißt es auf Nachfrage vom Bundesverkehrsministerium. „Anschließend wird die Gesellschaft die technische Detailplanung beauftragen, die die Grundlage für das Planfeststellungsverfahren zur Erlangung des Baurechts bildet“, so die Sprecherin. Derweil liegt die Zukunft der A13 zwischen Berlin und Spreewald, die laut Bundesverkehrswegeplan ebenfalls sechsspurig werden soll, noch völlig im Dunkeln. Gelder aus der Strukturwandelförderung sollten das Vorhaben beschleunigen, darauf verweist auch das BMDV, doch der Ausbau der Schiene wurde dem vorgezogen.
Verkehr auf Autobahnen in Brandenburg wächst
Verkehrsreferent Guido Noack von der IHK Ostbrandenburg beobachtet den Konflikt. Er hegt eine „kleine Sorge“, dass ein Aus- oder Neubau nicht mehr zugelassen werden würde. „Das wäre für die Region fatal.“ Die Bauarbeiten auf der A12 im vergangenen Jahr sowie mehrere Unfälle hätten vorgeführt, wie schnell aktuell ein Verkehrschaos entstehen kann. Dieses bekämen wiederum die Menschen in der Fläche zu spüren, wenn Lkw-Kolonnen auf Gemeindestraßen ausweichen müssen. „Unsere Region leidet darunter, wenn die A12 verstopft ist.“
Das könnte in Zukunft noch häufiger der Fall sein. Eine im Dezember 2021 veröffentlichte Verkehrsanalyse von der IHK sowie der Regionalen Planungsgemeinschaft Oder-Spree kalkulierte, dass die 18.000 Lkw pro Tag um 7000 ansteigen werden. Auch bei der A13 und der A11 im Norden nach Stettin sei ein Ausbau aufgrund des anwachsenden Verkehrs notwendig.
Umweltschützer stellt Ausbau von Autobahnen A12 und A13 infrage
Der Brandenburger „Bund für Umwelt und Naturschutz“ (BUND) hält einen Autobahnausbau für nicht mehr zeitgemäß. Geschäftsführer Axel Kruschat erinnert an die im August beschlossenen Klimaschutzziele der Landesregierung. Diese geben Klimaneutralität für Brandenburg bis 2045 vor. „Vor diesem Hintergrund ist der Autobahnausbau infrage zu stellen. Wenn sich dadurch der Verkehr mit fossilen Antrieben erhöht, können die Klimaschutzziele in diesem Bereich nicht erreicht werden“, befürchtet Kruschat.
Sein Dachverband hat im Januar Klage gegen die Bundesregierung eingereicht. Die Umweltschützer sehen Verstöße gegen die gesetzlichen Klimaziele unter anderem im Verkehrsbereich. Jene Ziele seien kein Selbstzweck, sie sollen Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius begrenzen, mahnt Kruschat. Jedes Land – auch Deutschland – müsse seinen Beitrag leisten. „Das ist notwendig, um einen katastrophalen Klimawandel zu verhindern.“ Doch bei einigen politischen Entscheidern, auch in Brandenburg, fehle das Umdenken. Die Gelder müssten laut Kruschat vielmehr in den Ausbau der Schienen-Infrastruktur fließen, zudem sollten die Antriebe konsequent von Verbrenner- auf Elektromotoren umgestellt werden.
Kanzlergespräch in Cottbus
Bundeskanzler Olaf Scholz reist durch alle Bundesländer, um mit den Menschen vor Ort ins Gespräch zu kommen. Am 7. März wird er sich in Cottbus den Fragen der Brandenburger stellen – 150 Menschen können teilnehmen. Organisiert wird die Talkrunde von der Märkischen Oderzeitung und der Lausitzer Rundschau. Das Bürgergespräch ist themenoffen, also alle Fragen sind erlaubt.
Wer mitmachen möchte, muss über 16 Jahre sein und kann sich über Anmeldeformulare bewerben. Alle weiteren Infos gibt es hier.
Güterverkehr allein könne Verkehrsaufkommen nicht stemmen
Beim Ausbau der Schiene geht IHK-Referent Guido Noack ebenfalls mit. Er fordert schnellere Genehmigungsverfahren, um mehr Verkehr auf die Schienen zu verlagern. Wasserstraßen seien ebenfalls sehr wichtig. Noack ruft noch einmal die errechneten Prognosen der Planungsgemeinschaft ins Gedächtnis. Um das angewachsene Verkehrsaufkommen im Jahr 2030 zu stemmen, bräuchte es 140 Güterzüge pro Tag. Aktuell fahren laut der Verkehrsanalyse etwa 70 Güterzüge, also die Hälfte, zwischen Berlin und Frankfurt (Oder).
Ein Ausbau der Ostbahn sei für den ansteigenden, überregionalen Güterverkehr daher sehr wichtig. „Aber um einen Ausbau der Straße kommen wir nicht herum.“ Viele Unternehmen würden ohnehin die Notwendigkeit des Klimaschutzes anerkennen und setzten bei den Lkws auf die höchste Abgasnorm – auch weil dies wirtschaftlicher sei. In jedem Fall, so Noack, werde die Schwerlast in Europa und damit in Brandenburg als Transitland zunehmen.
Fridays for Future kündigt Protest gegen Autobahnen an
Doch durch den ansteigenden Verkehr sinken die CO2-Emissionen nur geringfügig. Darin liegt für Axel Kruschat vom Brandenburger BUND das Hauptproblem: „Wir reden seit 50 Jahren über die Grenzen des Wachstums und jetzt erleben wir sie live.“ Eine Umstellung auf erneuerbare Energien sei bei unbegrenztem Wirtschaftswachstum nicht zu leisten. Zudem blickt er auf die knapper werdenden Ressourcen. Statt in Autobahnen solle beispielsweise mehr Geld in Abwasserprogramme, die Wasser in der Region halten könnten, investiert werden. „Wir müssen jetzt handeln, damit die nächste Generation nicht vor unlösbaren Problemen steht.“
Apropos nächste Generation: Fridays for Future kündigt an, am Freitag gegen den Ausbau von Autobahnen zu protestieren, meldet die Deutsche Presseagentur. Geplant seien „ganz verschiedene Formen des Protests“ zusammen mit dem Bündnis „Wald statt Asphalt“, sagte Sprecherin Luisa Neubauer.
In einer früheren Version des Textes hieß es, dass das BMDV Anfragen zum Planungsstand des sechsspurigen Ausbaus der A12 und A13 bislang unbeantwortet ließ. Mittlerweile hat das Ministerium auf die Presseanfrage reagiert. Die Antworten wurden eingearbeitet und die Textstellen entsprechend geändert.
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