Sie sollen Fotos von dem Haftbefehl gemacht und an Attila Hildmann geschickt haben: Der rechtsradikale Verschwörungstheoretiker – der damals in Wandlitz (Barnim) wohnte – hat nach Angaben der Staatsanwaltschaft von zwei in der Berliner Justiz beschäftigten Schwestern interne Informationen zu Ermittlungen gegen ihn erhalten. Die Behörde wirft ihnen Verletzung von Dienstgeheimnissen vor, wie ein Sprecher am Montag (17.4.) mitteilte.
Unter anderem sollen die Ex-Mitarbeiterinnen den früheren Autor veganer Kochbücher im Februar 2021 von einem Haftbefehl gegen ihn informiert haben. Per Strafbefehl – also ohne mündliche Verhandlung – sollen die Frauen zu Geldstrafen von 2700 und 3500 Euro verurteilt werden.
Eine IT-Mitarbeiterin gilt als Beschuldigte
Der Fall war im November 2021 öffentlich gemacht worden. Allerdings hatte die Generalstaatsanwaltschaft damals nur eine 33 Jahre alte IT-Mitarbeiterin als Beschuldigte genannt. Inzwischen gehen die Ermittler aber davon aus, dass auch deren Schwester den ehemaligen Vegan-Koch mit Interna versorgt hat. Beide Frauen wurden laut Staatsanwaltschaft nach Bekanntwerden der Vorwürfe vom Dienst freigestellt und sind mittlerweile nicht mehr für die Strafverfolgungsbehörden tätig.
Die frühere IT-Mitarbeiterin der Generalstaatsanwaltschaft soll Hildmann mehrfach Informationen über einen Messengerdienst zugeleitet haben. Zunächst soll sie laut Ermittler am 2. November 2020 über ihren Homeoffice-Laptop im Registratursystem abgefragt haben, welche Verfahren es gegen den Verschwörungserzähler gibt. Die Aufstellung soll sie ihm dann zukommen lassen haben – verbunden mit dem Angebot, ihn auf dem Laufenden zu halten, mit Informationen zum damaligen Umfang der Akte und dem Namen des zuständigen Staatsanwaltes.
Hausdurchsuchung bei Attila Hildmann in Wandlitz (Barnim)
Im November 2020 wohnte Attila Hildmann in Wandlitz. Am 17. 11.2020 bekam er Besuch von der Polizei. Wie damals aus Polizeikreisen zu erfahren war, sicherten Ermittler bei einer Hausdurchsuchung mehrere Laptops sowie weitere PC-Technik. Zudem soll Hildmann eine sogenannte Gefährderansprache bekommen haben. Dieses Mittel nutzt die Polizei, um einer in Verdacht stehenden Person klarzumachen, dass ihr Verhalten der Polizei bekannt ist. Der Beschluss zur Durchsuchung des Hauses in Wandlitz war von der Berliner Staatsanwaltschaft beim Amtsgericht Bernau erwirkt worden.
Einen Tag später – am 18.11.2020 – protestierten Tausende Menschen vor dem Reichstagsgebäude in Berlin gegen die Corona-Politik der Bundesregierung. Die Demonstration eskalierte, die Polizei setzte Wasserwerfer ein, Hunderte wurden festgenommen. Währenddessen stimmten Abgeordnete im Bundestag über die Reform des Infektionsschutzgesetzes ab.
Informationen über den Haftbefehl weitergegeben
Wenige Monate später – am 18. oder 19. Februar 2021 – soll die frühere IT-Mitarbeiterin der Generalstaatsanwaltschaft den Verschwörungstheoretiker über den Haftbefehl informiert haben. Dafür sei eine Geldstrafe von insgesamt 180 Tagessätzen zu je 15 Euro beantragt worden, teilte der Sprecher mit.
Ihre Schwester war nach den Angaben bei der Staatsanwaltschaft mit dem Kopieren von Akten betraut. Dies soll die 35-Jährige am 23. Februar 2021 genutzt haben, um Fotos von dem Haftbefehl zu machen, der sich in den Akten von Attila Hildmann befand. Für die Frau sei eine Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 15 Euro beantragt worden.
Ermittlungen unter anderem wegen Volksverhetzung
Die Staatsanwaltschaft Berlin ermittelt seit längerem gegen Hildmann, der sich selbst als „ultrarechts“ und einen Verschwörungsprediger bezeichnet, wegen Volksverhetzung, des Verdachts der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten und des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte. Der frühere Autor veganer Kochbücher war seit den ersten Monaten der Corona-Pandemie im Messengerdienst Telegram mit immer unverhohlenerem Judenhass aufgefallen. Seit Ende Dezember 2020 ist er auf der Flucht und hält sich in der Türkei versteckt.
Zunächst hieß es, der Haftbefehl gegen Hildmann könne nicht vollstreckt werden, weil er auch die türkische Staatsbürgerschaft besäße. Inzwischen ist aber klar, dass er nur die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt und nach Deutschland ausgeliefert werden könnte. Dafür müsste jedoch ein Auslieferungsgesuch durch die Bundesregierung an die Türkei gestellt werden