Von Annett Igel-Allzeit

Die Meise hat ihm Glück gebracht – und der Schornsteinfeger. Bernd Kuschereitz lacht, als er die Haustür öffnet. Glück hat er schon öfter im Leben gehabt. Klar, mit seiner Frau Dorothea, in den Skiurlauben ganz ohne Knochenbrüche, beim Tauchen, mit der Nummer Sieben auf seinem Fußballtrikot. Aber beim Kreuzworträtseln? Er hebt entschuldigend die Arme: „Ich habe doch erst seit Dienstag mitgemacht. Die Rätsel sind nicht schwer. Drei Minuten, länger brauchte ich nicht, um das Lösungswort Meise zu finden. Mein einziges Hilfsmittel war die Lupe.“ Und der Schornsteinfeger, der sich für Freitagmorgen bei Kuschereitzens angemeldet hatte, war gerade zehn Minuten raus, als Linda Gine Dasse, die Glücksfee von der RUNDSCHAU, anrief und Bernd Kuschereitz zum Gewinner erklärt.

Es konnte eigentlich nur ihn treffen, ist er überzeugt. „Schauen Sie mal auf mein Horoskop“, sagt er und schiebt die Zeitungsseite rüber. Er ist Skorpion, und da steht tatsächlich: „Die Kasse stimmt ...“. Gerade hat sich das Proschimer Ehepaar eine neue Klingel geleistet. „Da hilft uns ein Teil des Gewinns“, sagt Bernd Kuschereitz. Der andere Teil könnte in den Urlaub fließen, aber das müssen sie sich erst noch überlegen, denn viel mehr als das Geld beschäftigt Bernd Kuschereitz, dass er das Glück hatte. „Lotto spielen wir nämlich seit Jahren, mehr als drei Richtige waren aber nie drin“, sagt er.

Er ist in Spremberg aufgewachsen und zur Schule gegangen. Sportlich war er von klein auf. Mit dem Fußball hat er früh begonnen, Kreismeister im Tischtennis ist er gewesen, in Weißwasser hat er Eishockey gespielt. „Ja, und als an einem Samstag zum Wettbewerb im Slalom-Skifahren an den Spremberger Schwanenteich eingeladen wurde, war ich auch dabei.“ Gelernt hat er Stahlbauer in Schwarze Pumpe. An der Bergakademie in Freiberg absolvierte er daraufhin ein Betriebswirtschaftsstudium. Und die schöne gemeinsame Wohnung fürs junge Glück fanden Bernd und Dorothea Kuschereitz in Hoyerswerda. Zwei Kinder wurden geboren. „Sie hatten eine gute Ausbildung, haben sich richtig angestrengt, leben heute in Neuruppin und München und brauchen unsere finanzielle Unterstützung nicht mehr“, erzählt Bernd Kuschereitz stolz.

In Proschim leben sie seit 25 Jahren. Eine ganze Reihe Tannen haben sie auf ihrem Grundstück gepflanzt, einen Spielplatz für die Enkel gebaut, es sich schön gemacht. Fünf Nistkästen haben Platz. Auf die Gartenrotschwänzchen ist Kuschereitz besonders stolz. Und jetzt im Winter kommen zum Futterhäuschen auf dem Hof natürlich auch die Meisen.

Dass sich der Bagger kurz vorm Kohleausstieg 2038 doch noch Proschim greifen könnte, beschäftigt das Ehepaar. „Wir möchten schon gern bleiben“, sagt Bernd Kuschereitz, „aber wenn wir unbedingt gehen müssen, dann gehen wir auch. Wir werden schließlich nicht jünger und sind dann vielleicht dankbar für eine barrierefreie Wohnung. Doch ich verstehe auch die echten Tiefwurzler hier in Proschim.“ Damit meint er die Alteingesessenen, die hier aufgewachsen sind und wirklich an ihrer Heimat hängen.

Die 67 Jahre merkt man Bernd Kuschereitz nicht an. Er ist noch unheimlich agil. Und wenn er während des Gesprächs auf die Uhr guckt, zählt er die Stunden bis zum Trainingsbeginn. Er spielt in der Ü 50 beim SV Neupetershain. Für den Verein Borussia Welzow war er mehrere Jahre der Vorsitzende. Aber dann hat er das Amt in jüngere Hände abgegeben. „Auch eine Ü 50 kriegen wir in Welzow nicht mehr zusammen, deshalb haben wir uns mit den Neupetershainern vereinigt.“ Und dort lässt er sich die Sieben auf dem Trikot im Mittelfeld nicht nehmen. „Meine Frau begleitet mich immer  – auch zu den Turnieren. Dass sie stets an meiner Seite ist, wir uns immer haben, das gefällt mir so an ihr. Und sie hält meist auch meine Ironie aus.“

Dorothea Kuschereitz schmunzelt. Sie erlebe wunderbar viel an seiner Seite, sagt sie: Moränen und Rochen im Roten Meer. „Und eine Wasserschildkröte“, sagt sie und breitet die Arme aus, um die Größe anzudeuten. Bernd Kuschereitz hebt den Zeigefinger und ruft ihr lachend zu: „Das Glück, die Wasserschildkröte zu sehen, hattest aber nur du!“