Vor 76 Jahren ist das Leiden unter der NS-Diktatur für rund 300 jüdische und ungarische Mädchen und Frauen aus dem Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau in Weißwasser noch nicht vorbei. Während die Rote Armee das Konzentrationslager in Polen nämlich am 27. Januar 1945 befreit hat, werden die jungen Frauen wenige Tage später in Weißwasser in Bewegung gesetzt. Einige von ihnen müssen zu Fuß zu Todesmärschen aufbrechen, andere werden ins KZ Bergen-Belsen deportiert. Wieder andere stehen in Weißwasser an der Bahnsteigkante und begeben sich auf eine Irrfahrt durch das zerstörte Deutschland. Bis heute ist nicht klar, wie viele der Mädchen und Frauen zwischen Februar und April 1945 die Todesmärsche und Deportationen überlebt haben.
Am 27. Januar soll trotz der Corona-Pandemie ein Gedenken an die Befreiung von Auschwitz-Birkenau in Weißwasser stattfinden. Vertreter der Evangelischen Kirchgemeinde in Weißwasser und Mitglieder der Initiativgruppe „Stolpersteine“ sowie Oberbürgermeister Torsten Pötzsch (Klartext) haben sich deshalb etwas überlegt: Man lädt zu individuellen Spaziergängen an die Orte der Stadt, die an das jüdische Leben in Weißwasser erinnern. Versammlungen seien wegen der noch immer hohen Infektionszahlen in Weißwasser nicht erlaubt, hieß es. „Wir wollten trotz und gerade in der Corona-Situation an diesen so wichtigen Gedenktag erinnern“, erklärt etwa Ernst Opitz von der Kirchgemeinde. „Ich bitte nur eindringlich darauf zu achten, dass es nicht zu einer Versammlung selbst nur mit einigen wenigen Personen am Mahnmal kommt“, ergänzt Torsten Pötzsch.
Orte jüdischen Lebens in Weißwasser
Neben dem Gedenkstein am Kromlauer Weg ist auch die Muskauer Straße/Ecke Karl-Marx-Straße ein Ort, der bei einem Spaziergang angesteuert werden kann. Ernst Opitz würde sich freuen, wenn Menschen quasi im Vorbeigehen eine Kerze oder Blumen niederlegen – damit wäre das Gedenken ein öffentliches, ohne die Hygieneregeln zu verletzen. Und noch einen symbolischen Spaziergang gibt es: Denn im vergangenen Jahr hat schon die Corona-Pandemie den Info-Spaziergang der Initiative an drei Stellen in Weißwasser verhindert, die eng mit der jüdischen Geschichte in Weißwasser verbunden sind: An der Dr.-Altmann-Straße, der Muskauer Straße und der Straße des Friedens. Alles Orte, an denen Juden in Weißwasser einst wohnten und am 10. November 1938 Opfer von Hass und Gewalt wurden. Ein stilles Gedenken am Mittwoch bei einem Spaziergang sei damit in diesem Jahr gelebtes Geschichtsbewusstsein, heißt es aus dem Rathaus.