Von Andrea Budich
Die wilden Rebstöcke auf der Höhe 304 - Doris Gräfe kennt sie noch aus ihren Kindheitstagen. Aufgewachsen in der Calauer Straße/Ecke Ziegeleistraße, ist der Wein für sie ein Stück Heimatverbundenheit. Die alte Anbautradition auf dem 40 Hektar großen Gebiet der Raunoer Höhe wiederzubeleben, ist für die 65-Jährige Herzenssache.
Doris Gräfe ist eine von insgesamt 38 Senftenberger Weinfreunden, die sich dem Erhalt alter heimischer Rebsorten verschrieben haben. Seit 15 Jahren ackert die kleine Gemeinschaft am Ende der Calauer Straße wie wild, um die 600 Jahre alte Senftenberger Weinanbautradition wieder aufleben zu lassen. Mit Rebstöcken, die schon unsere Urgroßeltern kannten: Gutedel in weiß und rosa als älteste in Brandenburg verbriefte Rebsorte, die früher vielerorts in Gärten und an Hauswänden wuchs. Zu den sieben Rebsorten gehören auch die Madeleine Celine, Agostenga, Rotedel, Tauberschwarz und Frühmuskat. Ihre Beeren haben Kerne, sind nicht allzu groß, schmecken aber herrlich fruchtig, süß und vor allem nach Heimat. Auch wenn die Vereinsmitglieder damit nicht den ganz großen Ertrag ins Fass bekommen, halten sie den alten Lausitzer Weinsorten doch die Treue. Hektoliter sind für uns nicht entscheidend. Was zählt ist, dass wir mit den alten Sorten den Senftenbergern ein Stück Heimat schenken, sagt Wolfgang Simlinger, im Verein für den Rebschnitt und den Weinberg zuständig.
Damit die Trauben noch besser reifen und das 350 Kilogramm schwere Leseergebnis des Vorjahres noch etwas gesteigert werden kann, haben die Weinfreunde jetzt eine Tröpfchenberegnung an den Berg gebracht. Die für den kleinen Verein nicht unerhebliche Investition von mehreren Tausend Euro ist über Jahre zusammengespart worden und wird von der Sparkasse und der Stadt Senftenberg unterstützt.
Mit dem Probelauf zeigt sich Wolfgang Grafe, im Verein der Bauminister, sehr zufrieden. Die 220 Rebstöcke werden jetzt schonend über 230 Düsen stundenlang bewässert. Damit ersparen wir den Pflanzen die Schocktherapie mit eiskalten Wasserlachen aus der Leitung, erklärt Grafe zufrieden. Der vereinseigene Gießtrupp, der im trockenen Sommer des Vorjahres pro Gießeinsatz drei Stunden am Berg zu Gange war, kann sich den Knochenjob jetzt sparen. Von der intensiveren Bewässerung verspricht sich Sabine Simlinger als Fachfrau für die Kellerwirtschaft auch einen verbesserten Zucker-Säure-Gehalt in den Trauben der historischen Raritäten. Wie kostbar die alten Rebstöcke sind, erklärt sie mit Blick auf die Sorte Madeleine Celine. Nur zwei Rebstöcke sind den Weinfreunden davon geblieben - jede Beere damit eine kleine Kostbarkeit. Einen Raritäten-Zuwachs soll es übrigens möglichst bald am Senftenberger Weinberg geben: die alte Lausitzer rote Rebsorte Isabelle soll auf den Berg geholt werden.