Böschungen gehören zum Lausitzer Bergbaurevier wie Fließe zum Spreewald. Doch unmittelbar östlich des Bergheider Sees gibt es einen ganz besonderen Knick im Gelände. Dieser ist über einen Kilometer lang und erhebt sich bis zu 20 Meter über Gelände. Es handelt sich um die Vorschnitt-Böschung des ehemaligen Tagebaus Klettwitz-Nord. Deren Antlitz gleicht einem Buch der Erdgeschichte, findet Frank Sauer, Projektmanager der Lausitzer und Mitteldeutschen Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH (LMBV). Der Experte schwärmt für diese Böschung: „Wir sehen neben den lausitztypischen gelben Sanden und Kiesen, grauen Flaschentonen und kräftigen braunen Eisenablagerungen auch das langgezogene schwarze Band des ersten Lausitzer Kohleflözes.“ Als Hobbymineraloge weiß Sauer, dass die Kiese und Sande in diesem Bereich ein Relikt des ehemaligen Senftenberger Elbelaufes sind. Dieser hat aus den heutigen böhmischen Mittelgebirgen Gerölle wie Quarz, Basalt, Phonolit, Sandstein und Grauwacke in die Lausitz transportiert. Vor etwa fünf Millionen Jahren setzte der Abtransport dieser Sedimente durch die Elbe und ihre Nebenflüsse ein, wobei es zu einer Ablagerung der Flussschotter in der Lausitz kam.

„Es gibt meines Wissens nach nirgendwo anders mehr im Lausitzer Revier einen solchen Blick zurück in die Erdgeschichte“, sagt Sauer. Der allergrößte Teil ähnlicher Böschungen wurde im Zuge von Sanierungsarbeiten abgeflacht und geotechnisch gesichert. „Die meisten gewachsenen Böschungen der Tagebaue im heutigen Lausitzer Seenland sahen vorher so aus wie das Exemplar am Bergheider See“, weiß Frank Sauer. Der LMBV-Experte hat sämtliche bergbauliche Sanierungsarbeiten westlich der Autobahn 13 in seinem Blick. „Eine Sanierung dieser Böschung am Bergheider See ist nach heutigem Kenntnisstand nicht vor dem Jahr 2025 vorgesehen“, sagt Frank Sauer. Schließlich besteht sie aus gewachsenem Substrat. Lediglich die im Hang enthaltenen alten Filterbrunnen, die einst zur Entwässerung dienten, müssen kurzfristig saniert werden. Das ist im Abschlussbetriebsplan für dieses Gebiet festgeschrieben.

Für das nur einen Steinwurf entfernte Besucherbergwerk F 60 ist der „offene Blick in die Erdgeschichte“ ein Segen. „Vor dieser beeindruckenden Kulisse wurden bereits mehrere Filme gedreht“, erinnert sich Michael Nadebohr, Geschäftsführer der Besucherbergwerk F 60 gGmbH. Er erinnert an den Western-Thriller „Brimstone“ („Schwefel“), für den im Jahr 2015 unmittelbar am Fuß der obersten Böschungsetage eine eigene Westernstadt aufgebaut worden war. Hinzu gesellten sich ein Kurzfilm über das US-Gefängnis Guantanamo sowie ein Videoclip der Country-Rockband „BossHoss“.

Wenn der in Planung befindliche Radweg von Kostebrau zur F 60 realisiert ist, würde der Geländeknick weiter an Bedeutung zu gewinnen, prognostiziert André Speri, Geschäftsführer der F 60 Concept GmbH. Der Experte hält die Böschung für Schulprojekte oder Wandertage zu Themen wie Braunkohle und Geologie als ideal. Speri war bereits mit Schülern und Lehrern des Finsterwalder Gymnasiums vor Ort, um dort Einblicke in die Erdgeschichte zu vermitteln. „Wir wollen dort aber keinen Themenpark erreichten, eine einfache Infotafel täte es auch“, sagt der Fachmann. Mehr noch: „Für uns wäre es ein Gewinn, würde die Böschung so bleiben wie sie ist.“

Die Geländeformation vom Bergheider See hätte es ohne die politische Wende nicht gegeben. Denn andernfalls wäre sie längst durch den Tagebau Klettwitz-Nord überbaggert worden. Allerdings wurde der Grubenbetrieb Mitte 1992 nach nur vier Jahren aufgrund der komplett veränderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen eingestellt. Die nur ein gutes Jahr im Einsatz befindliche Förderbrücke F 60 ist nach Komplettumbau im Jahr 2002 als Besucherbergwerk eröffnet worden.