Von Kathleen Weser
Die Angst macht sich breit unter den Bewohnern auf den Kippen in Lauchhammer. Gebäude auf geschüttetem Boden nach dem Kohleabbau vor 1945, darunter bewohnte Häuser, sind lebensbedrohlich unsicher. Hunderte Keller vernässen. Der kommunale Straßenbau stockt, weil das Erdreich der Hälfte des Stadtgebietes durch den Abbau der Braunkohle aus dem natürlichen Gleichgewicht in unsichere Lage gebracht worden ist. Länger als 150 Jahre. Die geschundene Natur rebelliert so stark wie nirgends sonst im Revier. Die betroffenen Bürger und die Ratsrunde fühlen sich allein gelassen mit den existenziellen Problemen der Folgen des Altbergbaus.
Auf den jüngsten Hilferuf der Stadt an die Landesregierung in Potsdam, versendet als offener Brief, gibt es noch keine Reaktion. Nach der zweiten Botschaft, ein rutschungsgefährdetes Wohnquartier und ein Gewerbegebiet mitten im Stadtgebiet räumen zu müssen, wird erwartet, dass politisch endlich ein Finanzpaket für Lauchhammer geschnürt wird für Entschädigungsleistungen, die einen Neustart auf einem sicheren Standort ermöglichen und die betroffene Hauseigentümer nicht mehr kalt enteignen und in ungewollte Mietverhältnisse drängen. Doch weder ein vages Echo noch eine Eingangsbestätigung des Schreibens gibt es bisher. Das lässt den Volkszorn in Lauchhammer brodeln.
Der entlädt sich in der jüngsten Ratsrunde auf den Experten der Lausitzer und Mitteldeutschen Bergbau-Verwaltungsgesellschaft (LMBV). Dabei sind die nicht verantwortlich. Denn die Folgen des Altbergbaus vor 1945 sind im Einigungsvertrag unberücksichtigt geblieben: Es gibt keinen Rechtsnachfolger für die Areale, die mit dem Grundwasserwiederanstieg im alten Lausitzer Revier teilweise zu Todesfallen werden. Auch die um 1850 ausgekohlte Moritzgrube bei Friedrichshain (Spree-Neiße), in der vor vier Wochen ein Harvester-Fahrer (53) aus Sachsen ertrunken ist, ist ein tragisches Beispiel dafür. Das Arbeitsgerät war mit dem Maschinenführer durch eine Rutschung in die Tiefe gerissen und begraben worden. Die geologischen Verhältnisse und die frühen, sehr bescheidenen Sanierungstechnologien sind praktisch identisch mit denen in Lauchhammer. Sie bergen die gleichen Gefahren. Hier aber leben Menschen.
Und die sind verzweifelt und sauer. In Lauchhammer sind Bürger zur Ratsrunde gekommen, deren Grundstücke in unmittelbarer Nähe gesperrter Areale und der Külzstraße liegen dort, wo die erste Familie ihr Haus sofort verlassen musste. Dazu gehören Siegfried und Birgit Heller, die am Windmühlenweg in Lauchhammer wohnen ein Kippenausläufer des Wehlenteiches, ein Tagebaurestloch aus dem Altbergbau. Vor nunmehr genau fünf Jahren sind ihnen die Warnschilder Betreten verboten Lebensgefahr vor die Gartentür gesetzt worden. Bis heute gibt es keine klare Aussage zum Zustand des Gebietes und der Perspektive.
Wir haben Angst, dass wir die Nächsten sind, die räumen müssen, erklärt Birgit Heller eindringlich. Die Bergbausaniererin kann die Forderung, deutlich zügiger Klarheit zu den Bergbaufolgen und damit der Sicherheit für Lauchhammer zu schaffen, nicht erfüllen. Denn es gibt nicht genügend Sachverständige, die diese Arbeiten schneller voranbringen könnten. Das sagt LMBV-Projektleiter Michael Matthes.
Einen völlig überlasteten Gutachter haben wir vor Jahren kennengelernt, als uns die Schilder mit der lebensbedrohlichen Botschaft vor den Gartenzaun gestellt wurden, bestätigt Siegfried Heller. Der Sachverständige hatte das nahe gelegene Gewerbegebiet am Wehlenteich erst reif für die Aufgabe erklärt. Später war davon die Rede, dass er sich geirrt hatte, und die teure Absiedlung wurde gespart. Wir, die hier wohnen, haben bis heute keine Klarheit, sagt der Anwohner. Uns interessieren keine schönen Radwege und Aussichtspunkte, die mit Braunkohlesanierungsmitteln gebaut werden sollen. Wir leben hier und können uns nicht sicher fühlen, sagt Siegfried Heller.
Nachbar Uwe Haupt ist mit der Familie vor zwei Jahren aus Ruhland nach Lauchhammer gezogen. Das Haus am Windmühlenweg hat er gekauft, dann liebevoll um- und ausgebaut. Für die Baugenehmigung waren zwar bergbauliche Prämissen zu berücksichtigen, sie ist aber problemlos erteilt worden. Dass wir hier solche Probleme haben könnten, ist mir niemals bewusst gemacht worden, sagt er. Beim Blick auf die Lauchhammer-Karte mit den Problemgebieten, die schrittweise weiter gutachterlich auf den dauerhaften Bestand untersucht werden, ist dem Neubürger der Stadt der Schreck in die Glieder gefahren.
Die nahe gelegene Oberschule am Wehlenteich steht mit im Fokus der Sachverständigen. Uwe Haupt selbst erkennt sein Grundstück in der Problemzone. Aber keiner weiß, ob es auf dem Kippenausläufer liegt. Auch für den Altbergbau muss Rechtssicherheit geschaffen werden, fordert er. Es gebe keine Schuldigen. Und auch die Bürger könnten nichts dafür, dass im Einigungsvertrag die Veranwortung für den Bergbau vor Ende des Zweiten Weltkrieges nicht geregelt worden sei. Die Probleme sind aber da. Und wir sind Bürger dieses Landes, betont Uwe Haupt. Dass Minister in Lauchhammer nach der Hiobsbotschaft zur Absiedlung an der Külzstraße mit betroffenen Unternehmern im Gespräch sitzen und nichts von deren prekärer Lage wissen, macht mich fassungslos, sagt er.