Von Torsten Richter-Zippack

Einst galt die Lausitz als rebhuhnreiche Gegend. Die kleine Wildhuhnart der offenen Landschaft wurde oft und gern bejagt, das Fleisch als Delikatesse vermarktet. Heute ist das Rebhuhn zwar noch im sächsischen Jagdgesetz vertreten, gilt aber als ganzjährig geschont. In Brandenburg hingegen dürfen diese Vögel laut Gesetz im Herbst bejagt werden, aber die meisten Lausitzer Waidmänner verzichten darauf.

Der Grund: Es gibt kaum noch Rebhühner. Nach Angaben der Naturforschenden Gesellschaft der Oberlausitz gilt die Offenland-Art als diejenige, die in den vergangenen Jahrzehnten die dramatischsten Bestandsverluste erlitten hat. Wurden um die Jahrtausendwende noch 400 bis 600 Paare gezählt, waren es knapp zehn Jahre später nur noch 130 bis 180 Paare. Heute schätzt Dr. Markus Ritz, Vorsitzender des Vereins Sächsischer Ornithologen, dass es lediglich noch um die 50 Brutpaare gibt. Diese konzentrieren sich auf den Truppenübungsplatz Oberlausitz, auf die Bergbaufolgelandschaften sowie auf die Region entlang der Neiße.

Insgesamt brüten 190 Vogelarten in der Lausitz

Die Hühnervögel ziehen sich in wenig vom Menschen beeinflusste Bereiche zurück. In weiten Teilen der Agrarlandschaft kommt nach Angaben von Markus Ritz das Rebhuhn dagegen nicht mehr oder nur noch in sehr geringer Dichte vor. „Die intensive Landwirtschaft hat die Rebhuhn-Bestände zusammenbrechen lassen, rund 95 Prozent in drei Jahrzehnten“, erklärt Ritz.

Längst wirken sich diese Verhältnisse nicht nur nachteilig auf Rebhühner aus. Auch Kiebitze, Feldlerchen und weiteren Vogelarten haben kaum noch Möglichkeiten der Fortpflanzung. Insgesamt brüten in der Lausitz knapp 190 Vogelarten. Davon werden 65 Arten in der Roten Liste Sachsen geführt. 16 Arten sind vom Aussterben bedroht. Die Rote Liste umfasst alle gefährdeten Pflanzen-, Tier- und Pilzarten.

Spinnenarten bedroht, die an feuchte Standorte gebunden sind

Auch um andere Lebewesen ist es in der Lausitz nicht gut bestellt. Beispielsweise Insekten, konkret Spinnen. Dr. Birgit Balkenhol vom Senckenberg Museum für Naturkunde Görlitz verweist unter anderem auf die Flussuferwolfspinne. Die rund anderthalb Zentimeter großen Krabbeltiere sind stark bedroht, weil ihr Lebensraum zerstört wurde und wird. Betroffen sind insbesondere Sandbänke in Flüssen, etwa der Lausitzer Neiße. Während diese Lebensräume auf deutscher Seite weitgehend verschwunden sind, zeigt sich der polnische Flussteil vom Menschen weitgehend unbeeinflusst. Nach Angaben von Birgit Balkenhol sind wegen des Klimawandels sämtliche Spinnenarten bedroht, die an feuchte und nasse Standorte gebunden sind. Das betrifft Moore, Nass- und Feuchtwiesen sowie stark wasserbeeinflusste Wälder.

Extreme Trockenperioden als besondere Gefahr

Etwas entspannter sieht die Lage bei den Lausitzer Bodentieren aus. Experte Dr. Peter Decker vom Senckenberg-Museum für Naturkunde Görlitz sagt, dass es bislang keine Rote Liste für gefährdete Bodentiergruppen in Sachsen gebe. Der Grund: „Keine der geschätzten 3000 bis 4000 Bodentierarten im Freistaat steht vor dem Aussterben.“ Manche dieser Wesen seien allerdings von Natur aus extrem selten. So kommt beispielsweise der leuchtende Regenwurm Eisenia lucens in Deutschland nur im Bereich der Lausche im Zittauer Gebirge vor. Darüber hinaus ist auch das Oberlausitzer Teichland Heimat für diverse Arten, die sachsenweit nur dort leben.

Momentan drohen diesen Tieren durch extreme Trockenperioden wie 2018 Gefahren. Diese wirken sich laut Decker mittelfristig auf die Bestände aus. „Die Kollegen der Bodenzoologie Görlitz haben für diverse Flächen in Sachsen, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Süddeutschland überdurchschnittlich geringe Fangzahlen verzeichnet“, begründet der Experte seine Aussage.

Bei den Pflanzen gibt es eine ganze Anzahl von Arten in der Oberlausitz, die bereits ausgestorben sind. Nach Angaben des Experten Hans-Werner Otto sind von den 1387 indigenen und eingebürgerten Pflanzenarten bereits 125 ausgestorben. Weitere 174 gelten als vom Aussterben bedroht, und 110 sind stark gefährdet.

Kurioserweise kehren manche verloren geglaubte Pflanzen wieder zurück. Dazu gehören unter anderem die Wassernuss und die Rauhblättrige Rose. Extrem gefährdet sind in der Region beispielsweise die Weißtanne, das Moorveilchen und die Knäuel-Glockenblume, informieren Karsten Wäsche und Petra Gebauer vom Senckenberg Museum für Naturkunde.

Verzicht auf Gifte und Dünger als eine Maßnahme

Aus Algen und Pilzen setzen sich Flechten zusammen. In Sachsen gibt es davon rund 950 Arten. Davon ist ein Viertel bereits ausgestorben. Weitere 67 Arten gelten vom Aussterben bedroht, sagt Dr. Volker Otte vom Senckenberg Museum für Naturkunde. Separate Untersuchungen für die Lausitz gebe es nicht. Von den bundesweit vom Aussterben bedrohten Flechtenarten kommen in der Lausitz noch sieben Erdflechtenarten vor, zudem sechs auf Bäumen wachsende Vertreter. In Büchern des 19. Jahrhunderts, beispielsweise der „Flora Lusatica“ des Luckauer Apothekers Rabenhorst aus dem Jahr 1840, sind noch weitaus mehr Arten verzeichnet.

Ursache für die starken Rückgänge bilden Veränderungen der Lebensräume. Immerhin sind nach dem Abschalten zahlreicher Kraftwerke und Brikettfabriken nach 1990 viele Arten wieder in die Lausitz zurückgekehrt, wenn auch längst nicht in der Vielfalt des Jahres 1840.

Um das Artensterben zu verlangsamen, empfehlen die Görlitzer Wissenschaftler in erster Linie eine Extensivierung landwirtschaftlicher Flächen, den Verzicht auf Gifte und Dünger, keine weiteren Flächenversiegelungen, ebenso keine Meliorationen von Grünland. Markus Ritz bringt das Dilemma wie folgt auf den Punkt: „Naturschutz wird immer noch zu sehr als Luxus und nicht als Erhalt unserer Lebensgrundlage betrachtet.“

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