Von Rüdiger Hofmann
Majestätisch steht sie da und überragt mit ihren knapp 20 Metern so einige Häuser in Calau: die Napoleoneiche nahe der Oberschule an der Ecke Werchower Straße. Ein gigantisches und stadtbildprägendes Naturdenkmal. Alter: zwischen 350 und 400 Jahre. Kaiser Napoleon soll 1813 bereits unter dem Baum gesessen haben.
Doch jahrzehntelanger Holzabbau, vor allem durch Pilzbefall wie den Schwefelporling, haben zu einem sehr kritischen Verhältnis zwischen der noch tragfähigen Rinde und der zu tragenden Gesamtlast geführt. Zurzeit dürften auf den geringen Wandungsstärken des Stammfußes mehr als 20 Tonnen Gewicht ruhen. Zum Vergleich: Ein Festmeter massive Eiche wiegt etwa eine Tonne. Bereits vorhandene Schäden wie der Blitzschaden aus dem Jahr 1990 sind außerdem so stark mit Fäule befallen, dass seit Jahren Folgen durch Ausfaulung mit Hohlraumbildung zu beobachten sind. Fazit: Es besteht erhöhte Bruchgefahr insbesondere des Stammes sowie der Stämmlinge.
Das alles geht aus einem Zustandsgutachten hervor, dass von der Unteren Naturschutzbehörde des Landkreises Oberspreewald-Lausitz im November 2018 in Auftrag gegeben und nun im Calauer Bauausschuss vorgestellt wurde. Auftragnehmer ist die GSP GmbH aus Lübbenau mit Michael Stein als Baumsachverständiger. Für haltbare Ergebnisse wurden nach Aufnahme der Baumdaten und einer augenscheinlichen Beurteilung eine eingehende Prüfung mit Messgerät an ausgewählten Messpunkten durchgeführt und vorhandene Kronensicherungssysteme überprüft.
Die Empfehlungen zum weiteren Umgang mit dem Baum münden in zwei Varianten, sagt Bauamtsleiterin Margitta Görs. Variante 1 sieht die Fällung des gesamten Baumes und die Nachpflanzung möglichst eines Sämlinges des Mutterbaumes vor.
Die Abgeordneten folgen im Ausschuss aber der Empfehlung der Fachbehörde und des Gutachters, der Variante 2 den Vorzug zu geben, bei der die Eiche zu einem Torso bis auf etwa acht Meter Höhe zurückgeschnitten werden soll. Damit wird die Verkehrssicherheit gewährleistet, heißt es in der Zustandsdokumentation. Ein wichtiger Punkt, denn die Stadt ist für die Verkehrssicherungspflicht verantwortlich.
Der Gutachter schätzt außerdem ein, dass die Eiche somit noch eine Lebensdauer von fünf bis sieben Jahren, eventuell auch bis zehn Jahren, erreichen kann. Während dieser Zeit werden Sämlinge gezogen, wovon der Stärkste nach Absterben des Baumes für Ersatz sorgen soll, geht aus dem Gutachten hervor. Die Schnittmaßnahmen sind in der ersten März-Hälfte geplant. Die Kosten belaufen sich auf etwa 2000 Euro, sie werden zur Hälfte von der Unteren Naturschutzbehörde und zur Hälfte von der Stadt Calau getragen.
Interessant ist der Blick in die Geschichte der Napoleoneiche: Seit 1958 ist die Stieleiche als Naturdenkmal eingestuft. Schon damals stellte der Baum mit rund sieben Metern Stammumfang eine botanische Besonderheit dar, geht aus dem Archiv der Unteren Naturschutzbehörde hervor. Am 20. Juni 1990 erlitt die Eiche dann einen Blitzschlag in den mittleren Stämmling. Rinde sowie Splintholz wurden bis 100 Zentimeter breit abgesprengt. Eine Zustandsaufnahme erfolgte im September 1998, wo bereits starker Fäulebefall besonders am Stammfuß festgestellt wurde. Fruchtkörper vom Schwefelporling und Eichenfeuerschwamm sind nachgewiesen worden.
2004 wurde die gesamte Krone um etwa 20 Prozent eingekürzt. 2011 wurde der Zustand der Napoleoneiche mittels einer gutachterlichen Stellungnahme zwar noch mit gut, aber abnehmender Tendenz bewertet. Die Fäulniss nehme weiter zu, Restwandstärken hingegen ab. Später wurde die gesamte Krone erneut eingekürzt, um die aufzufangende Windlast weiter zu reduzieren. Zuletzt zeigten sich erneut große Fruchtkörper des Schwefelporlings nahe einer alten Astungswunde, wodurch die nun erfolgte eingehende Prüfung der Stieleiche erfolgte.
Sollte der Baum früher oder später einmal endgültig weichen müssen, setzen wir uns dafür ein, dort mit einem Schild an das Naturdenkmal zu erinnern, sagt der neue Ortschronist Matthias Nerenz vom Heimatverein.