Wie viele Flüchtlinge aus der Ukraine sind aktuell in Dahme-Spreewald? Die Antwort: Niemand weiß es, noch nicht einmal annähernd genau. Daraus ergeben sich allerdings viele Fragen.
Dahme-Spreewalds Sozialamtsleiter Harald Lehmann bekennt, dass es aktuell „keine konkrete Übersicht gibt, wie viele schon angekommen sind.“ Rückschlüsse ziehe die Kreisverwaltung aus Anmeldungen und Terminierung in der Ausländerbehörde. Mit Stand Dienstag, 16. März, hatten sich dort 500 Personen aus dem angegriffenen Land gemeldet. Außerdem hatten bis dato 203 geflohene Ukrainer im Sozialamt Leistungen beantragt.
So ist die Lage der Ukraine-Flüchtlinge in LDS
Doch untergekommen sind in Dahme-Spreewald vermutlich jetzt schon weit mehr Menschen aus der Ukraine, vor allem Frauen, Kinder und Ältere. Sozialamtsleiter Lehmann spricht von einer „erheblichen Lücke“ bei den Zählungen. Der Grund ist, dass sich die Personen auch erstmal gar nicht melden oder registrieren lassen müssen. Rein rechtlich könnten sie, auch wenn das vor dem Hintergrund der aktuellen Lage zynisch klingen mag, zunächst als „Tourist“ im Land bleiben, solange keine Leistungen beantragt werden.
Der Überblick ist auch deshalb schwierig, weil die meisten privat untergekommen sind. „Wir können uns im Grunde nicht retten vor Angeboten“, sagt Migrationsbeauftragte Antje Jahn. Der LDS-Aufruf, die Geflüchteten aufzunehmen, sei „unglaublich gut angenommen worden“. Sie könne mittlerweile nicht einmal mehr alle E-Mails beantworten.
Warum private Unterbringung problematisch sein kann
Die Ankunft und Unterbringung der Geflüchteten aus der Ukraine scheint also derzeit zumindest zu einem nicht unerheblichen Teil an der Kreis-Behörde vorbeizulaufen. Das bringt neue Probleme mit sich. „Wir würden ganz klar eine zentrale Zuweisung über die Ausländerbehörde bevorzugen“, sagt Antje Jahn. Denn auf Basis der verlässlichen Zahlen ließe sich die Unterbringung steuern.
Die Realität allerdings sieht anders aus. Die enorme Welle an Hilfsbereitschaft sei toll, bringe jedoch auch so manche unvorhergesehene Herausforderung mit sich. Menschen aus Dahme-Spreewald beispielsweise, die an die Ankunftsorte nach Polen oder an Bahnhöfe fahren und der Kreisverwaltung „busseweise Geflüchtete vor die Tür stellen“.
Diese Quartiere für Ukrainer werden wirklich gebraucht
Auch Quartiere, die nur kurzfristig zur Verfügung gestellt werden könnten, „verlagern das Problem nur“. Befürchtungen, dass so manche Aufnehmende unterschätzen, wie schwierig es ist, mit traumatisierten Menschen, deren Sprache man höchstens teilweise spricht, zusammenzuleben und ihre „Flüchtlinge“ nach zwei Tagen wieder „loswerden“ wollen, würden sich ebenfalls leider bewahrheiten, so Antje Jahn weiter. „Da wurden Mütter mit ihren Kindern im Zug beschossen – ein normaler Mensch kann das einfach nicht abfangen.“
Deshalb reagiert Dahme-Spreewald jetzt mit einer eigenen „Erstaufnahme“, sagt Landrat Stephan Loge (SPD). Gemeinschaftsunterkünfte werden ohnehin reaktiviert, wobei die Ukrainer nach Möglichkeit unter sich bleiben sollen. Eine Tendenz zeichnet sich nach vielen Gesprächen bereits ab: Sie würden bevorzugt in Wohnungen untergebracht werden.
Wie LDS eigene „Erstaufnahme“ für Geflüchtete schafft
Als quasi eigene „Erstaufnahmestation“ hat der Landkreis daher die Gemeinschaftsunterkunft in Kolberg hergerichtet. Sie bietet in verschiedenen Bungalows etwa 80 Plätze und kann daher einerseits den Wunsch erfüllen, in einer „Wohnung“ Rückzug zu finden, andererseits Ukrainer aufnehmen, die plötzlich – aus welchen Gründen auch immer – doch kein Dach über dem Kopf haben.
Die Botschaft des Landkreises ist unterdessen einmal mehr klar: Wer privat Geflüchtete aufnehmen will, sollte sich über die Herausforderung im Klaren sein: Sprachbarriere, Traumatisierung und eine wahrscheinlich doch länger anhaltende Situation.
Wie das Sozialamt Mieten und Ausstattung übernehmen kann
Wenn allerdings ein Mietverhältnis entsteht, ergänzt Harald Lehmann als Chef des Sozialamts, könne dieses die Kosten für die Miete und die Ausstattung übernehmen.
Neben Kolberg sollen Gemeinschaftsunterkünfte in Uckley (mehr als 80 Plätze), in Zeuthen (eine kleine Pension mit 24 Plätzen), Mittenwalde (200 Plätze) und Klein Köris (48 Plätze) reaktiviert werden. Zudem können im Alt-Flughafen Schönefeld, zwischenzeitlich Impfzentrum bis zu 500 Menschen untergebracht werden.
Unterdessen seien die Ukrainer sehr gut online unterwegs und vernetzt. Schüler würden online nach den Ukrainischen Lehrplänen unterrichtet, hat die Kreisverwaltung erfahren. Zu den völlig offenen Fragen gehört allerdings, wie Kita-Kinder mit ihrem dann entstehenden Rechtsanspruch betreut werden sollen – vor allem bei der aktuellen Platzknappheit. Die Verwaltungsmitarbeiter verweisen dazu auf Aussagen, dass viele Ukrainer davon ausgehen würden, nicht lange auf der Flucht zu sein, bald wieder in ihre Heimat zurückkehren zu können. Wie realistisch das ist, dürfte aktuell wohl eine der größten Fragen sein.
- Über die Lage in der Ukraine halten wir Sie in unserem Liveticker auf dem Laufenden.
- Möchten Sie Menschen in der Ukraine oder von dort Geflüchteten helfen, finden Sie alle Informationen auf unserer Themenseite.
Wissenswertes zur Aufnahme von Geflüchteten
Der Landkreis Dahme-Spreewald hat auf seiner Internetseite unter „Flucht aus der Ukraine“ schon einiges an Wissenswertem zusammengetragen, auf Deutsch und auf Ukrainisch. Dort gibt es auch den direkten Draht zur Ausländerbehörde, Antragsformulare und Informationen über den Landkreis. Die Seite soll weiter ausgebaut werden. Welche Behörde als Erstkontakt zuständig ist, wo man einen Asylantrag stellt und ein Formblatt zur Aufenthaltsanzeige finden sich ebenfalls.