Zunächst sieht es so aus, als ob der Termin am Cottbuser Amtsgericht am Dienstagvormittag platzt. René Lau, der Berliner Anwalt des Klägers, verspätet sich bei seiner Anreise. Doch dann wird doch noch in diesem Zivilstreit verhandelt. Es geht um ein Anfang Mai vom FC Energie Cottbus für vier Jahre ausgesprochenes bundesweites Stadionverbot. Der betroffene Forster klagt dagegen.
Für den Verein ist der 27-Jährige einer der wichtigsten Rädelsführer der Fan-Gruppe Inferno, die vom Verfassungsschutz als klar rechtsextremistisch und mit besten Verbindungen in das Neonazimilieu bezeichnet wird. Die Gruppe war seit Jahren immer wieder in Propaganda- und Gewaltaktionen bei Auswärtsspielen des FCE verwickelt. Allein die Inferno zugerechnete Jagd auf Fans des SV Babelsberg 03 und üble Beleidigungen der Potsdamer im Cottbuser Stadion im Herbst 2016 brachten dem Verein eine Geldstrafe von 10 000 Euro ein.
Der Forster, der sich nun gegen das Stadionverbot wehrt, bestätigt auf Nachfrage von Richterin Petra Malek auch unumwunden seine Mitgliedschaft in der rechtsextremistischen Gruppe, verweist jedoch darauf, dass Inferno sich Anfang Mai selbst aufgelöst habe: Inferno gibt es nicht mehr. Szenekenner sind jedoch davon überzeugt, dass diese Selbstauflösung nur scheinbar erfolgte, um einem möglichen Vereinsverbot zuvor zu kommen. In dem Zivilverfahren spielen solche Erwägungen jedoch keine Rolle.
Wie schwierig es im Einzelfall für Fußballvereine sein kann, ein Stadionverbot gegen mutmaßliche Drahtzieher von Zwischenfällen durchzusetzen, wurde in der kurzen Sacherörterung der Klage gegen den FCE deutlich. Der Anwalt des 27-jährigen Klägers hält dem Vertreter des Vereins, Rechtsanwalt Wolfgang Schreiber vor, dass die meisten Vorwürfe gegen seinen Mandanten schon vier Jahre und länger zurücklägen. Außerdem sei ein solches Stadionverbot gleichlautenden Inhalts mehreren Personen erteilt worden. Damit fehle ein personengezogener sachlicher Grund für das Verbot.
Während Anwalt Lau den Schwerpunkt auf konkretes Verhalten seines Mandanten und weniger auf seine Rolle bei Inferno legt, macht die Richterin deutlich, dass eine Mitgliedschaft und führende Rolle in der Gruppe durchaus von Bedeutung sein könnte für die Entscheidung über das Stadionverbot. Von der Selbstauflösung von Inferno hört sie in dem Verfahren jedoch zum ersten Mal am Dienstag im Gerichtssaal.
Beide Seiten haben nun noch mal bis Anfang Dezember Zeit, in Schriftsätzen ihre Argumente zu ergänzen und zu vertiefen. Zumindest bis dahin bleibt das Stadionverbot zunächst in Kraft. Eines schloss FCE-Anwalt Wolfgang Schreiber jedoch grundsätzlich aus, einen Vergleich. Das bestätigt auch FCE-Geschäftsführer Norman Kothe ausdrücklich: Wir werden nach unseren Möglichkeiten alle rechtlichen Mittel ausschöpfen, damit das bundesweite Stadionverbot weiterhin Bestand hat.
Die Auseinandersetzung um das Verbot für das langjährige Inferno-Mitglied fällt für den FCE in eine schwierige Phase. Vor einem Monat erst hat der Fußball-Verein einen Maßnahmeplan vorgelegt, um gegen Extremismus und Gewalt in seiner Fanszene konsequent vorzugehen. Im Focus stehen dabei Inferno und deren noch nicht aufgelöste Jugendabteilung Unbequeme Jugend. Die Anhängerschaft dieser Szene wir auf rund einhundert Personen geschätzt. Mehrere davon sind mit Stadionverboten belegt.
Vor einem Monat wurde außerdem bekannt, dass Inferno-Anhänger auf andere Fans der Ultraszene in Cottbus Druck ausgeübt haben sollen, um unter einem neuen Namen gemeinsam aufzutreten. Damit würde die rechtsextreme Gruppe ihr Darstellungsverbot im Stadion unterlaufen. Die Gruppe Ultima Raka verweigerte sich. Mehr Erfolg scheinen die Inferno-Aktivisten dagegen bei der Ultra-Gruppierung Colletivo Bianco Rosso (CBR 02) zu haben, die auf ihrer Facebook-Seite den Plan einer einheitlichen Gruppenfahne verteidigte.
Vielleicht gibt es auch mehr ideologische Nähe zwischen CBR 02 und Inferno als bisher bekannt. Bei einer Feier zum 15-jährigen Bestehen von CBR 02 mit etwa 150 Teilnehmern im Oktober sollen zwei Mitglieder der bekannten Rechtsrockband Frontalkraft aufgetreten sein. Der Sänger der Band war ebenso Mitglied der 2012 verbotenen Neonazistruktur Widerstand Südbrandenburg, wie auch zwei führende Mitglieder von Inferno.
Schlagwörter
Cottbus