Am 13. August ist Amtswechsel im Rathaus in Uebigau-Wahrenbrück. Bürgermeister Andreas Claus (parteilos), der aus gesundheitlichen Gründen nicht noch einmal kandidiert hat, macht Platz für seinen Nachfolger Delf Gerlach (FDP). Vorab hat sich die Lausitzer Rundschau mit dem Noch-Amtsinhaber getroffen, um ihn nach seiner Bilanz, seinen Erfahrungen und seinen Plänen für die Zukunft zu fragen.

Haben Sie sich beim Amtsantritt das Bürgermeisteramt so vorgestellt? Was hat Sie überrascht? Womit haben Sie vielleicht gehadert? Was hätten Sie gern anders bzw. besser gemacht?

Andreas Claus: Ich habe ausreichend kommunalpolitische Erfahrungen aus dem Ehrenamt mitgebracht. Ich war in den Jahren zuvor ja schon als Gemeindevertreter in Wildgrube tätig, habe im Amtsausschuss Wahrenbrück mitgearbeitet sowie in den Stadtverordnetenversammlungen in Wahrenbrück und in Uebigau-Wahrenbrück. Deshalb wusste ich, was auf mich zukommen wird.

Es war mir eine Ehre, dieses Amt ausfüllen zu dürfen — trotz aller Widrigkeiten, die mitunter zur Arbeit gehörten. Ich habe nie auf die Uhr geschaut, wenn es galt, Probleme zu lösen und die Stadt voranzubringen. Ich konnte auf eine leistungsbereite Verwaltung bauen. Und ich hatte zahlreiche zuverlässige und gute Partner an meiner Seite. Alle Erfolge sind immer eine Gemeinschaftsleistung aller Beteiligter.

Dafür danke ich zuallererst meiner Frau und meiner Familie, die mir immer den Rücken frei gehalten haben. Ich bedanke mich aber auch bei allen Bürgerinnen und Bürgern, meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Verwaltung und den Einrichtungen, den Stadtverordneten und Ortsvorstehern, den ehrenamtlich Tätigen, den Bundestags- und Landtagsabgeordneten, dem Landrat und den Mitarbeitern der Kreisver­waltung, meinen KollegInnen Amtsdirektoren und Bürgermeistern, den Unternehmern, Gewerbetreibenden, Behörden, Gesellschaften, Vereinen, Verbänden, Kirchen, Projektpartnern, der Presse und den Medien und allen, die ich jetzt nicht erwähnt habe.

Ich kann mich noch gut an meinen 1. Tag hier im Rathaus erinnern: Als ich aus dem Fenster schaute, sah ich auf dem Markt den Lehrer Günter Bendix, einen ehemaligen Kollegen. Ich ging zu ihm hinunter. Er beglückwünschte mich und gab mir mit auf den Weg: Finde Deinen eigenen Weg und versuche niemanden zu kopieren. Den Satz habe ich mir zur Maxime gemacht.

Womit ich gehadert habe? Damit zum Beispiel, dass es immer bürokratischer zugeht, dass Ermessensspielräume in Entscheidergremien nicht mehr ausgenutzt werden. Wenn ich mich hinter Gesetzbüchern versteckt hätte, wären wir im Hochwasserschutz nicht halb so weit vorangekommen. Das hat sich alles nicht im Selbstlauf ergeben, da musste man Chancen nutzen.

Wollten Sie eigentlich schon immer in die „große“ Kommunalpolitik?

Andreas Claus: Nein, das war so nicht vorgesehen. Aber: Ich wollte in der Region immer etwas bewegen. Ich erinnere mich noch gut an die Zusammenarbeit mit Barbara Hackenschmidt, als es um Vorbereitungen für die Bildung eines Jugendkreistages und eines Jugendparlaments der Stadt Falkenberg ging. Als es darum ging, einen Nachfolger für Heinz-Gernot Winkler zu finden, wurde ich angesprochen, doch aus der Theorie Praxis werden zu lassen.

Welche drei Entscheidungen bleiben rückwirkend für Sie die schwersten und warum?

Andreas Claus: Die schwersten Entscheidungen, das waren die Schließungen der Kindertagesstätten in Bahnsdorf und Bönitz, der Schulschließung in Uebigau sowie der Personalabbau in der Verwaltung und in den Einrichtungen. Es ist sehr emotional diskutiert worden. Aber es gab keine Alternativen. Beispiel Schule: Wenn in zwei aufeinanderfolgenden Jahren keine 1. Klassen gebildet werden können, dann geht es an der Schule auch nicht weiter. Alles, was da an unsachlicher Diskussion hochkam, fand ich nicht in Ordnung.

Ist Uebigau-Wahrenbrück jetzt auf dem Stand, auf dem Sie die Stadt gern hätten? Was sollte eventuell schon erledigt sein - und warum ist es noch nicht?

Andreas Claus: Die Stadt ist noch lange nicht auf dem Stand, auf dem ich sie gern hätte. Schuld daran ist die Finanzverteilung zwischen Bund, Land und Kommunen, die einfach nicht stimmt. Die investiven Mittel sind seit 2004 immer weiter heruntergefahren worden. Mit dem Landesentwicklungsplan hat Platzeck 2008 festgelegt: Stärken stärken. Das heißt, dass sich Mittelzentren entwickeln können, bei allen anderen Kommunen ist die Entwicklung von den Aufwendungen und Kosten sowie den Erträgen abhängig. In einer Flächenkommune wie der Stadt Uebigau-Wahrenbrück ist die Ausgangslage da sehr ungünstig. Um Menschen an ihre Orte zu binden, müssen den ländlichen Regionen mehr Finanzmittel zur Verfügung gestellt werden. Das hat ja nun auch die Enquete-Kommission 6/1 des Brandenburger Landtages parteiübergreifend festgestellt. Eine späte Einsicht finde ich.

Was waren für Sie die größten Tiefschläge?

Andreas Claus: Wo fängt man an, wo hört man auf? In das Finanzausgleichsgesetz ist der Flächenfaktor immer noch nicht eingeführt worden. Das fordere ich seit über 10 Jahren ein. Die Ablehnung der Ortsbeiräte in der Stadt, hat mich arg enttäuscht. Die Schließung kommunaler Einrichtungen wie Schule und Kitas oder privater Gewerbebetriebe wie Gaststätten und Verkaufseinrichtungen mindert die Lebensqualität vor Ort. Das teilweise mangelnde Verständnis für kommunalen Klimaschutz teilweise bei Stadtverordneten und Bürgern sowie die mangelnde Bereitschaft vor Ort mit zu tun, hat mich geärgert.  Für so manchen in unserer Stadt ist es bequemer auf dem Sofa zu sitzen und zu meckern anstatt mitzuhelfen und sich einzubringen. Natürlich habe ich in der Stadt auch immer wieder beispielhaftes Engagement insbesondere bei den Freiwilligen Feuerwehren, beim Seniorenbeirat, in unseren Einrichtungen oder in den zahlreichen Vereinen in den Ortsteilen erlebt und gewürdigt. Auch die Diskrepanz zwischen politischen Absichtserklärungen und tatsächlichem Tun ärgert mich, zum Beispiel beim Hochwasserschutz der Schwarzen Elster, bei der Energiewende, bei der Einbindung von Bürgern und Regionen. Da fehlen Masterpläne, denn manchmal braucht das freie Spiel der Kräfte einen Plan. Dass das Projekt touristischer Wasserwanderstützpunkt Mühle München abgesagt wurde, hat geschmerzt. Es hätte in Sachen Landschaftswasserhaushalt und Verbesserung der Rahmenbedingungen für den Rad- und Wassertourismus einiges bewirken können.

Ganz besonders bedauere ich, dass das Verhältnis der Menschen untereinander aus meiner Sicht schlechter geworden ist. Liegt es an fehlender Kommunikation oder an Neid und Missgunst?

Außerdem muss ich mehr und mehr feststellen, dass wir mit vielen Dingen, die uns in den kleinen Kommunen bewegen, bis zur großen Politik leider gar nicht mehr vordringen.

Welche Herausforderungen müssen in der Stadt in der nächsten Zeit gemeistert werden? Welches Potenzial ist noch nicht ausreichend ausgenutzt?

Andreas Claus: Die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft müssen weiter entwickelt und verbessert werden. Für anstehende Unternehmenserweiterungen sind Flächennutzungs- und Bebauungspläne anzupassen. Man sollte auch an der Neuansiedlung der ENERTRAG AG und der Wasserstoffdrehscheibe am Bahnsdorfer Berg dranbleiben. Das ist ein innovatives Zukunftsthema. Zur Anpassung an den Klimawandel bleibt der Blick auf den vorbeugenden Hochwasserschutz wichtig. Zugleich müssen die Ortsentwässerungen ebenso gesichert sein wie ein Wasserrückhalt in trockenen Zeiten. Beim Waldumbau müssen wir an künftige Generationen denken und sollten die durch Trockenheit und Brände vernichteten Bäume schnell durch Laubgehölze ersetzen.

Die Stabilisierung der kommunalen Finanzen ist unabdingbar, ebenso wie die Bestandssicherung wichtiger kommunaler Einrichtungen wie Schule, Kitas, Schlossherberge, Denkmal „Louise“, Verwaltung und Bürgerämter.  Die Bürgerbeteiligung bei erneuerbaren Energien ist zu forcieren. Die Umsetzung des Projekts Verwaltungsgemeinde Liebenwerda mit all ihren Facetten aus dem Entwicklungs- und Handlungskonzept ist voranzutreiben.

Außerdem muss die Stabilisierung der Einwohnerentwicklung mit gleichzeitigem Blick auf das fortschreitende Altern der Bevölkerung im Blick behalten werden. Es ist auch ein noch stärkeres regionalwirtschaftliches Denken nötig. Das Regionalsiegel Elbe-Elster der Wirtschaftsförderung ist ein gutes und ausbaufähiges Projekt.

Welche Erfolge in Ihrer Dienstzeit bleiben für Sie in besonderer Erinnerung?

Andreas Claus: Wir haben es als Teamleistung der Verwaltung, aber auch mithilfe der Abgeordneten und Ortsvorsteher geschafft, die Stadt aus einer ganz schwierigen finanziellen Situation herauszuholen, wieder ausgeglichene Haushalte vorzulegen, Schulden abzubauen und sogar Überschüsse im Finanzhaushalt zu erwirtschaften. Die Leistung der mittelständischen Unternehmen im Stadtgebiet, die sich überwiegend sehr positiv entwickeln, ist dabei die Grundlage. Wir verzeichnen in den letzten 10 Jahren fast eine Verdreifachung der Gewerbesteuereinnahmen.

Wir haben kommunale Strukturen sichern können. Uns sind Hochwasserschutz und Katastrophenbekämpfung dank vieler Helfer gelungen. In den Ortsteilen wird wieder mehr investiert. Das Gewässertourismusprojekt hat die Städte zusammengeführt. Uebigau-Wahrenbrück ist eine der aktivsten Kommunen im Bereich Klimaschutz und erneuerbare Energien geworden, was sogar mit einer Bundesauszeichnung gewürdigt worden ist. Die Stadtsanierung in Uebigau kann viele Erfolge verbuchen. Fast alle „dicken Brocken“ sind saniert. Wir haben einen sehr aktiven Seniorenbeirat, der ebenfalls eine Bundesauszeichnung erhalten hat. Wir können auf ein gutes Team der Feuerwehren bauen.  Wir haben eine Menge geschafft. Und wenn dann noch jemand sagt, es sei doch nichts passiert, dann ärgert mich das wirklich. Erst recht, wenn es von einem Uebigauer kommt, wo doch die wesentlichen Investitionen in diesen Ortsteil geflossen sind.

Wie bereiten Sie Ihr Ausscheiden aus dem Dienst vor? Was ist in der verbleibenden Zeit noch zu tun? Wie binden Sie Ihren Nachfolger eventuell schon mit ein?

Andreas Claus: In meinem Kalender sind noch viele Termine notiert. Ich möchte mich auch von einigen langjährigen Partnern gern noch persönlich verabschieden. Zudem ist aufgrund der angespannten Personalsituation in der Verwaltung viel Arbeit liegengeblieben, die nachgearbeitet werden muss. Also: Es bleibt ausreichend zu tun.

Meinen Nachfolger, Delf Gerlach, habe ich nicht nur umgehend zu seiner Wahl beglückwünscht, sondern ich habe ihn auch schon in einige Termine mit einbezogen. Er bekommt von mir im Interesse unserer Stadt alle erforderliche Unterstützung.

Wie geht es für Sie weiter — beruflich und in der Kommunalpolitik?

Andreas Claus: Ich möchte erst einmal meine gesundheitliche Baustelle in den Griff bekommen und dem Körper Zeit geben, sich zu regenerieren. Wie es konkret weitergehen soll, dazu habe ich mich noch nicht zu 100 Prozent festgelegt.

Ich sehe jedoch für mich weiter reichlich mögliche Betätigungsfelder, zum Beispiel in der Bildung einer Stiftung Louise, im Gewässertourismus, im Klimaschutz, oder im Bereich der erneuerbaren Energien. Ich gehe also nicht von Bord, sondern nur von der Brücke.

Was möchten Sie den aktuellen Verantwortungsträgern mit auf den Weg geben?

Andreas Claus: Was sie am meisten brauchen und leisten müssen, ist Beharrlichkeit, stetiges Einfordern, Selbstbewusstsein, Bürgerkontakt und Kommunikation.

Wo sehen Sie die Stadt in fünf bis zehn Jahren?

Andreas Claus: Das ist sehr davon abhängig, welche gesamtpolitischen Weichenstellungen es auf der Bundes- und Landesebene geben wird. Und die anstehende Bildung der Verbandsgemeinde ist mit großen Chancen, aber auch mit Risiken verbunden. Es darf dabei nicht jeder nur Seins sehen, sondern es sollte um einen gleichberechtigten Gemeindeverband gerungen werden, der allen beteiligten Städten und ihren Ortsteilen Weiterentwicklungen ermöglichen muss.

Es fragte Sylvia Kunze.