Nur wenige Tage nach seinem 67. Geburtstag bricht Gerhard Strauß seine komplette Existenzgrundlage weg. Sein kleines Blockhaus an der Klarastraße im Süden von Finsterwalde geht in den Mittagsstunden des 1. Februar vollständig in Flammen auf. „Ich weiß nicht, wie es weiter geht“, sagt der Finsterwalder zwei Tage später. „Ich habe alles verloren.“
Das Häuschen an einem kleinen Teich mit Terrasse, gemütlichen Schaukelstühlen und Strandkorb „war mein Rückzugsraum von vielen Dingen“. Das Schild mit dem Wort Oase an dem Holzhaus hielt auch im Inneren allen damit verbundenen Wünschen nach einem Wohlfühlort stand.
Feuerwehrleute löschen am 1. Februar 2022 den Hausbrand an der Klarastraße in Finsterwalde. Für Gerhard Strauß bricht eine Welt zusammen.
Feuerwehrleute löschen am 1. Februar 2022 den Hausbrand an der Klarastraße in Finsterwalde. Für Gerhard Strauß bricht eine Welt zusammen.
© Foto: Feuerwehr Finsterwalde
Es fällt Gerhard Strauß schwer, auf seinem Handy Fotos von den liebevoll und nachhaltig eingerichteten beiden Wohnräume zu zeigen. Im Wohnzimmer hatte eine alte Baumwurzel eine sehenswerte Nachnutzung als Tisch erfahren.

Finsterwalder ist bei Hausbrand als Erster vor Ort

Schnell legt er das Telefon wieder beiseite. Mehr als die Erinnerungen auf dem etwas in die Jahre gekommenen Smartphone sind ihm nicht geblieben, nachdem ihm am Dienstag nach dem Öffnen der Haustür die Stichflammen entgegenschlugen. „Das hat dem Feuer den nötigen Rest an Sauerstoff gegeben“, sagt Gerhard Strauß, dem der „Supergau“ wenige Tage später natürlich noch in den Gliedern steckt.
„Die ganzen Bilder, meine Laptops, alles ist weg und kommt nicht wieder“, sagt Gerhard Strauß. „Ich habe erstmal keinen Plan, wie es weiter geht.“ Der Mensch, der sonst in mehreren Ehrenämtern Hoffnung verbreitet, hat ebenjene verloren. „Ich kann mich nur schwer motivieren, bin noch völlig durch den Wind.“
Dazu kommen gesundheitliche Probleme. „Das Laufen fällt mir gerade schwer“, sagt er am Donnerstag vor dem Weg zu seiner Versicherung. Von dort gibt es kurz darauf den ersten Hoffnungsschimmer. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass das klappt“, sagt er wenig später.

Nicht der erste Verlust eines Hauses durch Feuer für Finsterwalder

„Was für Prüfungen brauchst Du noch“, fragt sich Gerhard Strauß nach einer schweren Lebenskrise Mitte der 2000er, der Beisetzung seiner Mutter 2021 und unglaublicherweise einer ähnlichen Tragödie vor knapp zwölf Jahren.
An einer anderen Stelle des Grundstücks hatte der engagierte Sängerstädter im August 2010 schon einmal ein Haus durch ein Feuer verloren. „Ich habe schon mal von Null angefangen, damals war ich aber zwölf Jahre jünger“, sagt der 67-Jährige. 2010 wie heute sei er sehr gerührt von der Anteilnahme. „Damals sind Tafelkunden, die für die Ausgabe ihre Bedürftigkeit nachweisen müssen, zu mir gekommen und haben mir fünf Euro zugesteckt“, erinnert er sich. „Das hat mich zu Tränen gerührt.“

Viele Menschen helfen dem Finsterwalder schon jetzt

Die Tränen sind im Jahr 2022 wieder geflossen. Eine erste Welle der Hilfsbereitschaft hat ihn gerade schon erreicht. Er ist bei seiner Freundin im Norden von Finsterwalde untergekommen, hätte aber auch mehrere andere Wohnungen zur Auswahl gehabt. Der Mann ist für sein großes Herz bekannt und das bekommt er in seiner schwierigen Lage ziemlich deutlich mit den unterschiedlichsten Geld- und Sachspenden gedankt.
„Es fällt ihm schwer, Hilfe anzunehmen“, weiß Marco Müller nicht erst seit einer Spendenübergabe der Finsterwalder Linken am Mittwochabend. Aus den beiden Stadtverordneten, Gerhard Strauß ist Mitglied der Grünen, ist aus der Arbeit in der Fraktion eine Freundschaft entstanden. Der 33-Jährige weiß, was Gerhard Strauß seit vielen Jahren in Finsterwalde ehrenamtlich leistet.

Mehr Ehrenamt in Finsterwalde geht eigentlich nicht

Für die Aufzählung braucht er einen langen Atem. „Er hilft Menschen mit Depressionen, ist Seelsorger, leitet den Friedhof in Nehesdorf und hält dort Trauerreden, wenn den Menschen das Geld dafür fehlt, ist Vorsitzender des Gemeindekirchenrats Süd.“ Der dickste Ehrenamtsbrocken ist freilich die Leitung der Finsterwalder Tafel gemeinsam mit Pfarrer Markus Herrbruck. „Mit Leib und Seele“, betont Gerhard Strauß. „Ich halte hier die Tafel in der Hand“, sagt der sympathische Netzwerker bei einem Blick auf sein Handy. Die Brötchen für bedürftige Menschen holt er schon mal im Beerdigungs-Zwirn ab.
Aus der Hilfe für die Finsterwalder Tafel nicht wegzudenken und ohne Bock auf Lob auch auf dieser Aufnahme aus dem April 2021 – hinterm Steuerrad: Mit-Tafel-Chef Gerhard Strauß (67).
Aus der Hilfe für die Finsterwalder Tafel nicht wegzudenken und ohne Bock auf Lob auch auf dieser Aufnahme aus dem April 2021 – hinterm Steuerrad: Mit-Tafel-Chef Gerhard Strauß (67).
© Foto: Jürgen Weser
Auf eine noch größere Welle der Hilfe als in den zurückliegenden Tagen kann Gerhard Strauß hoffentlich in den nächsten Tagen hoffen. Die Stadt Finsterwalde und die Evangelische Trinitatiskirchengemeinde Finsterwalde haben am 3. Februar eine gemeinsame Spendenaktion ins Leben gerufen.
„Ich wünsche mir, dass ich meinen Frieden wiederfinde. Den, der von Innen kommt.“ Der gestandene Mann, der in den vergangenen Jahren immer für Menschen in Not da war, steht selbst vor dem Nichts. Es liegt eigenartigerweise in der Natur der Sache, dass es eben solchen Menschen schwer fällt, um Unterstützung zu bitten. Ganz wichtige Wünsche für die nächste Zeit bringt der 67-Jährige dann aber doch langsam hervor: „Ich brauche Kleidung, einen Laptop und vor allem Geld.“

Spendenkonto für Opfer des Hausbrandes in Finsterwalde eingerichtet

Vor allem das letzte Wort bringt er nur schwer über die Lippen. „Geld trägt keine Menschen. Menschen tragen Menschen“, sagt er. Er braucht es aber nun mal genau jetzt, auch wenn er nicht weiß, wo er den nächsten Versuch eines Neustarts hinlegt.
Wer spenden kann und möchte, kann dies unter Angabe des Verwendungszwecks „Spende Gerhard Strauss“ auf das Konto der Evangelischen Kirchengemeinde Finsterwalde (IBAN: DE06 1805 1000 3100 2100 33) tun.

Offenbar gleiche Ursache wie bei Hausbrand 2010

Die Polizei gibt die Höhe des durch den Hausbrand entstandenen Schadens mit 50 000 Euro an. „Brandursachenermittler der Kriminalpolizei haben am Mittwoch eine Stelle am Kühlschrank als Ursprungsort des Feuers ausgemacht“, sagt Gerhard Strauß. Ein Kühlschrank sei laut dem dem 67-Jährigen schon im August 2010 als Ursache für den damaligen Hausbrand ermittelt worden.