Kinder lernen voneinander. Das steht außer Frage. Besucht ein Kind eine Betreuungseinrichtung, tun sich unter Umständen auf einmal ganz neue Verhaltensweisen auf. Seit wann kann sich die Einjährige so toll mit dem Bobbycar abstoßen? Huch, wo hat die Dreijährige denn das neue Wort her? Und wie schön der Vorschüler auf einmal seine Bastelschere halten kann. In einer Integrationskita kommen noch einmal ganz andere Eindrücke und Erfahrungen mit dazu.
Integrationskita seit 2007: Wie läuft der Kita-Eintritt ab?
Davon können Corinna Stephan und ihr Team von der Kita Sängerstadt in Finsterwalde berichten. Seit dem Jahr 2007 ist die Einrichtung Integrationskita. Heißt: Hier werden Kinder mit körperlicher oder geistiger Benachteiligung, mit Entwicklungsverzögerungen und Kinder ohne Handicap gemeinsam betreut.
Ein wenig anders laufe die Vorbereitung für den Kita-Eintritt bei den Integrationskindern da schon ab, kann Christel Winzer als stellvertretende Leiterin und Heilpädagogin für Integration berichten. „Wir müssen im Vorfeld schauen, in welchem Entwicklungsabschnitt sich das Kind befindet und natürlich die entsprechenden Voraussetzungen schaffen.“ Im Elterngespräch müsse zudem geklärt werden, ob die körperliche Beeinträchtigung des Kindes Besonderheiten beim Essen, Laufen oder Schlafen mit sich bringe, welche Hilfsmittel Zuhause bereitstehen und welche in der Einrichtung benötigt werden. „Das ist wichtig, sonst würden wir hier ins Blaue hinein arbeiten“, erklärt die 59-Jährige. Die eigentliche Eingewöhnung unterscheide sich dann kaum von der anderer Kinder.
Sprachbarriere? Kommunikation auch ohne Worte
Auch für die Integration von Kindern mit Migrationshintergrund hat sich die Kita Sängerstadt über Jahre ein Netzwerk zur Unterstützung aufgebaut. Corinna Stephan berichtet: 22 Prozent der Mädchen und Jungen in ihrer Einrichtung haben einen Migrationshintergrund.
Beim Aufnahmegespräch würden Dolmetscher die Eltern unterstützen, während der Eingewöhnung und im Alltag muss es dann natürlich ohne gehen. Trotzdem: Die Kommunikation funktioniert. Dafür würden Zettel, Bildmaterial und auch mal Hände und Füße zum Einsatz kommen.
Fehlende Sprachkenntnisse seien im Gruppenalltag absolut überwindbar. „Die Kinder sehen den Alltag ja auch bei den anderen aus der Gruppe. Oder ein Kind macht eine Tätigkeit vor“, beschreibt Erzieherin Maria Lehmann, wie sie die Eingewöhnung mit Sprachbarriere handhabt. „Für die Kinder ist es erstmal verwirrend. Aber sie sind schlau. Sie wollen lernen.“
Auch bei der Elternarbeit sei die Sprache im Endeffekt kein Hindernis. „Viele bereiten sich mit Englisch vor. Sie wissen auch, an wen sie sich wenden können“, sagt Maria Lehmann. Selbst bei Elterninformationen hätte sich gezeigt: Mütter und Väter wissen, woher sie Hilfe bei der Übersetzung bekommen.
Die Elternarbeit an sich sei dennoch eine intensivere, weiß auch Christel Winzer. Vor allem bei Migrationskindern mit Handicap. Denn in den Herkunftsländern seien nicht immer die medizinischen Voraussetzungen wie in Deutschland gegeben. Kommt die Familie in die Bundesrepublik, müsse oft bei null angefangen werden. „Diagnostik, Hilfsmittelaufstellung“, zählt die 59-Jährige auf. Die Eltern seien da dankbar für jeden Rat, den sie bekommen könnten.
Sie erinnert sich an ein vierjähriges Mädchen mit körperlichen Einschränkungen aus Syrien. „Als sie gekommen ist, konnte sie nicht mal laufen. In die Schule ist sie dann mit einem Laufwagen gegangen“, verrät die Heilpädagogin für Integration und der Stolz ist ihr anzumerken.
Gewinn auf beiden Seiten: So lernen die Kinder von einander
Für die Kinder sei es ein Gewinn auf beiden Seiten. „Sie motivieren sich gegenseitig, sehen, was der eine tut und wollen es auch versuchen“, sagt Christel Winzer. Zudem würden Hilfsbereitschaft und Rücksichtnahme verstärkt werden: Türen aufhalten, die Tasche abnehmen. Die gegenseitige Unterstützung sei groß. „Die Kinder sind so beieinander, sie sind so hilfsbereit.“
Und natürlich würden unweigerlich andere Kulturen zur Sprache kommen, wenn Mütter mit Kopftüchern erscheinen, um ihren Nachwuchs abzuholen oder ein Kind kein Schweinefleisch isst. „Essen ist ein großes Ding“, weiß Maria Lehmann. Warum isst der eine nicht das Gleiche wie der andere? „Sie verstehen es vielleicht nicht, aber sie nehmen es an.“ Oft reiche auch schon eine kurze Erklärung. „Vieles kommt aus der Situation heraus.“
Alle können voneinander lernen. Übrigens auch die Erzieher. Maria Lehmann berichtet, dass ihre Schützlinge ihr einige Brocken Arabisch beigebracht haben. Die verbesserungswürdige Aussprache sei mit lautem Lachen quittiert worden. Doch am Ende des Tages zählt nur eines: „Alle Kinder bringen Ressourcen mit. Alle sind eine Bereicherung“, fasst es die junge Erzieherin zusammen.
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