Am 18. Mai 1815 musste Sachsens König Friedrich August I. die Bestimmungen des Wiener Vertrages anerkennen, nach denen er große Teile seines Herrschaftsgebietes an Preußen abzutreten hatte. Dazu gehörten mit der Niederlausitz auch Finsterwalde und das dabei befindliche Schloss.
Eine von vielen Immobilien für Preußen
Dieses Gebäude unterstand von nun an dem Fiskus der Königlichen Preußischen Majestät Friedrich Wilhelm III. Für den Berliner Monarchen war diese Immobilie nur eine von vielen, die durch die europäischen Grenzveränderungen in seine Verfügungsmasse gerieten.
Was konnte er damit anfangen? In seiner neuen Rheinprovinz beispielsweise war er plötzlich Herr über das Schloss der einstigen Kölner Kurfürsten in Bonn geworden. Dort schenkte er diesen Gebäudekomplex der von ihm gegründeten Universität. Aber Finsterwalde?
Brief an den König
Vielleicht lasen die preußischen Beamten unter diesem Aspekt einen mit dem 9. November 1815 datierten und an den König adressierten Brief zweier „allerunterthänigster Tuchfabricanten“, Johann Caspar Coswig und Friedrich Biethorn, aus Finsterwalde doch mit einigem Interesse. Diese baten darin um die Überlassung des „wüste und öde“ stehenden Schlosses, um hier eine Tuchfabrik einzurichten. Zunächst umschmeichelten die Autoren ihren neuen Herrscher und priesen „das längst ersehnte Glück“, sich nun „Dero beglückte Unterthanen nennen zu dürfen“, um gleich darauf ihre eigene Leistungskraft zu betonen, denn ihr Gewerk sei in der Lage, jährlich 12 000 Stück aller Gattungen feinsten und gröbsten Tuches herzustellen. Ja, wenn sie damit beauftragt würden, könnten sie sogar in einem Monat die „Montirungsstücke eines ganzen Regiments“ liefern.
Um noch effektiver zu produzieren und vor allem die Nachkriegsnot der Bevölkerung zu beseitigen, unterbreiteten sie nun ihren Vorschlag: „Als in unserem Gewerbe erfahrene und die angesehensten Tuchmachermeister unseres Städtchens sind wir allein nur im Stande unsern ärmeren Mitmeistern und vielfältigen Arbeitern Erwerb und Nahrung zu geben, wenn wir unser ganzes Werk und mannigfaltige Maschinerien in einem Gebäude unter unserer Aufsicht vereinigen könnten. Dies wäre eine sehr große Erleichterung für die verarmten Arbeiter, die wenig genug verdienen, wenn sie miethfrey wohnten, da sie immer sehr schwer und oft gar nicht diese erwerben, unser Kunstfleiß aber, würde mit Energie getrieben, wenn wir unser ganzes Werk selbst leiten, übersehen, kleinen Fehlern abhelfen und vervollkommnen könnten, das bei Maschinerien so höchst nothwendig ist. Zu dieser Vereinigung in einem einzigen allgemeinen Fabrik-Gebäude bietet sich in unseren Oertchen ein altes verfallenes und seit fast 16 Jahren unbewohntes Schloß an.“
Mit Argumentationshilfe
Im Gegensatz zum Antrag des Tuchmachers Seydel, den wir in der vorigen Folge dieser Artikelserie vorstellten, sprachen Coswig und Biethorn offenbar im Namen der Tuchmacherinnung, die also im Schloss eine Tuchfabrik etablieren wollte, in der nicht allein die Maschinen zentralisiert, sondern auch die sie bedienenden Arbeitskräfte untergebracht werden sollten. Als Argumentationshilfe für den Fiskus verwiesen die Antragsteller darauf, dass das Schloss der Staatskasse eigentlich nur Kosten beschere, denn bisher werde es mehr schlecht als recht durch „Frondienste der bedrückten Unterthanen“ einigermaßen erhalten. Aber diese zwangsweise Bewirtschaftung führe nur dazu, dass die Untertanen „in Trägheit verfallen“. Als bürgerliche Unternehmer aber könnten sich die Tuchfabrikanten das Schloss gewinnbringend dienstbar machen, die nötigen Sanierungskosten selbst aufbringen und vor allem aber „zum nutzbaren Erwerbsfleiß der dürftigen Volks-Claße“ beitragen.
Die Behörden ignorierten das Bittgesuch
Die preußischen Finanz- und Domänenbehörden ignorierten jedoch dieses Bittgesuch. Die Frage, warum sie auf den Vorschlag der Tuchmacher nicht eingingen, beantworten die Dokumente nicht eindeutig. Vielleicht war die preußische Verwaltung so kurz nach dem Anschluss zahlreicher neuer Landesteile einfach überfordert. 1830 stimmten sie dann schließlich doch einem ähnlichen Antrag zu und verkauften große Teile des Schlosses an Carl Gottfried Haberland, der hier eine Tuchfabrik einrichtete.
Hauptquelle: Brandenburgisches Landeshauptarchiv, Rep.7, Amt Finsterwalde, Nr. 17