Von Dr. Rainer Ernst

Der 24. Juni 1928 war ein bedeutender Tag für die Finsterwalder Architektur- und Sportgeschichte: Die Doppelturnhalle in der damaligen Hospitalstraße (heute August-Bebel-Straße) wurde eingeweiht.

Mit berechtigtem Stolz hatte Bürgermeister Georg Geist in seiner Einladung für den Festakt die Bedeutung des neuen städtischen Schmuckstückes als „Musterleistung einer kleineren Industriestadt, die nach Anlage und Einrichtung sicherlich auf die Städte des weiteren Umkreises anregend wirken wird“, bezeichnet. Zu den zahlreichen Gästen, unter ihnen hohe Beamte des Frankfurter Regierungsbezirkes, Stadtverordnete und Rektoren der Finsterwalder Schulen, gehörten vor allem die Vertreter „sämtlicher Sport- und Leibesübungen treibender Vereine“. Da die Sportbewegung damals entsprechend der gesellschaftspolitischen, konfessionellen und sozialen Struktur organisiert – oder besser zersplittert – war, reichte das Spektrum der 21 eingeladenen und auch vertretenen Sportvereine oder deren Träger vom eher bürgerlich-konservativen Turnverein 1862, über die SPD-nahe Freie Turnerschaft bis zum Kommunistischen Jugendverband, vom rechts-konservativen Bund der Kaufmannsjugend bis zu dessen Widerpart, dem Jugendbund im Gewerkschaftsbund der Angestellten, von der katholischen Deutschen Jugendkraft bis zum Evangelischer Männer- und Jungmänner-Verein.

Die politischen und sonstigen Differenzen blieben an diesem Tage offenbar außen vor. Alle Gäste erfreuten sich an dem Bauwerk, bei dem „die praktische und formvollendete Innenausstattung … mit der wuchtigen Schönheit des Äußeren wetteifert“, wie es Regierungsassessor Dr. Klüter als Sprecher des Landkreises treffend charakterisierte.

Die Mühen und finanziellen Anstrengungen der Kommune hatten sich also gelohnt. Es erwies sich nun als höchst vernünftig, frühe Planungen für eine kleine Halle, die allein für den Turnunterricht der Mädchenschule dienen sollte, zu verwerfen und ein wesentlich größeres Gebäude, in dem auch der Sportunterricht der Realschule (heute Oberstufenzentrum) und der breite Vereinssport eine Heimstatt fand, zu errichten. Gleichzeitig sollte das Bauwerk auch als städtische Festhalle nutzbar sein, was natürlich eine aufwändigere Innen- und Außengestaltung erforderte. Ebenso vernünftig war es, mit Regierungsbaurat Kurt Vogler einen renommierten Architekten für dieses Projekt zu gewinnen und einen erfahrenen Baufachmann, den Architekten Carl Mulack, als Baubetreuer für die Errichtungszeit anzustellen.

Die Bauarbeiten hatten, nachdem das umfangreichere Vorhaben im März beschlossen worden war, im Frühsommer 1927 begonnen. Bei der Auftragsvergabe achtete man darauf, auch einheimische Firmen zu berücksichtigen. So erledigte der Finsterwalder Baubetrieb Hubert & Ullrich die Erd- und Maurerarbeiten (etwa 45 000 Reichsmark), Paul Droste die Zimmerer-, Procopius und Kropke die Klempner-, die Firma Max Gerhardt Steinholzarbeiten (Fußboden).

Die Türen fertigten die Vereinigten Tischler Finsterwalde, eine Eisenkonstruktion für das Dach schuf Traugott Schuster. Das eigentliche Baumaterial kam aus der Region: Die Ilse-Bergwerks-AG Großräschen lieferte rund 250 000 Hintermauersteine, 45 000 Stück Gasofenklinker (II. Kl., dunkel), 40 000 Stück Buntklinker (Sortierung Siemensstadt) sowie 20 000 Stück Buntklinker (Sortierung Tannenberg).

Die damals hoch modernen und handwerklich meisterhaft gestalten Klinkeraußenwände erheben das Bauwerk zu einem auch überregional bedeutenden Zeugnis des sogenannten Backstein-Expressionismus, das den Vergleich mit den nationalen Ikonen dieses Baustils in Berlin oder Hamburg nicht scheuen muss. Insgesamt kostete die Doppelturnhalle (einschließlich der großzügig neu angeschafften Turngeräte) etwa 250 000 Reichsmark; ein – wie sich bis heute zeigt – nachhaltiger Kraftakt für die Kommune.

Genutzte Quellen: Kreisarchiv Elbe-Elster, Bestand Finsterwalde, Nr. 696, 699, 1108 und „Volksblatt für die westl. Niederlausitz“ v. 25.6.1928