Von Dr. Rainer Ernst

Mit einiger Berechtigung könnte Finsterwalde nicht nur den Titel einer Sänger- sondern den einer Sportlerstadt führen. Auch am Beginn des 20. Jahrhunderts gab es hier eine überaus lebhafte Turnerszene. „Wenn überall wie in dieser Ecke der Lausitz so eifrig geturnt würde, dann stände es gut mit der Turnersache“, lobte 1910 ein  Cottbuser Turnwart die Finsterwalder Sportfreunde.

Jedoch fehlte es an Trainings- und Übungsplätzen. Die Nutzung der Gaststättensäle konnte nur eine Übergangslösung sein. Zwar war es 1895 dem „Turnverein 1862“ unter großen Opfern gelungen, eine eigene Halle zu errichten (Jusel-Halle). Diese erwies sich jedoch für die vielen Sportbegeisterten und vor allem für den Sportunterricht als völlig unzureichend. Besonders unbefriedigend und herabsetzend empfanden die Mitglieder des 1889 gegründeten „Turnvereins Einigkeit“, dass ihnen die Halle nur beschränkt zugänglich war und ihnen schließlich die Nutzung gänzlich verwehrt wurde.

Die konkreten Gründe dafür lagen wohl in persönlichen Animositäten der führenden Köpfe dieser Vereine, die beide dem Dachverband der Deutschen Turnerschaft angehörten und sich jeweils ausdrücklich als bürgerliche Vereine sahen.

Die Einigkeit-Turner  unter Führung ihres Vorsitzenden, dem Zigarrenfabrikanten Max Richter, strebten nun auch danach, eine eigene Turnhalle zu errichten. Einen Bauplatz fanden sie im Garten der Herberge zur Heimat in der Karlstraße 5 (heute Karl-Marx-Straße). Der Herbergswirt Emil Hannemann, selbst Mitglied des Vereins, erhoffte sich gewiss auch einen positiven Nebeneffekt für seine Gastwirtschaft. Die Bauarbeiten begannen im September 1909; allerdings ohne jede Genehmigung durch die Behörden. Offenbar drückte die Bauverwaltung ein Auge zu, begnügte sich mit der Nachreichung des Bauantrages und der Bauzeichnungen.

Am 27. Februar 1910 konnte schon die Einweihung gefeiert werden. Von einem Prunkbau war die zunächst als Turnschuppen bezeichnete Halle, deren Bauwert mit 1800 Mark beziffert wurde,  weit entfernt. Sie maß 19 x 8 Meter, hatte eine Innenhöhe von 3,50 Metern und stand auf einem steinernen Sockel. Dennoch blickte der Verein stolz auf sein „mit Hilfe der Bürgerschaft“ errichtetes Werk, das vor allem „den Bürgersöhnen Gelegenheit“ bot, „sich turnerisch weiter auszubilden“. Andererseits wollte man die Halle auch dem Schulsport zur Verfügung stellen. Immerhin sorgten zwei Ringöfen und der mit Kokosmatten ausgelegte Fußboden  für ein Mindestmaß an Ausstattungskomfort.

Die Schuldeputation nahm das Anerbieten des Vereins gern an. Im November 1910 nutzten wöchentlich 1600 Kinder das neue Domizil. Nun hatten die Schüler der Knabenschule (damals auf dem Terrain der heutigen Sparkasse) und auch die Mädchen der Töchterschule nur einen sehr kurzen Weg zum Sportunterricht, denn die Halle lag nur wenige Meter südlich vom Standort der heutigen Doppelturnhalle.

Dennoch konnten sich Lehrer und Schüler mit der Halle nie restlos anfreunden. So gab es Klagen, dass Gastwirt Hannemann ungefragt hereintrat, mitunter den Schlüssel erst nach langem Bitten dem „Schulmeester“ herausrückte oder den Vorplatz zum Wäschetrocknen an Hausfrauen vergab, die ihre Wäscheleinen an Reckstangen befestigten und so den Unterricht torpedierten. Das Hauptübel bestand jedoch in der kleinen Hallengrundfläche, die bei Klassefrequenzen von meist über 60 Kindern absolut nicht genügte.

Angesichts dieser Probleme resümierte Sportlehrer Eichler 1913, dass es bald „mit der Turnfreudigkeit vorbei“  wäre, wenn nicht eine grundlegende Verbesserung herbeigeführt würde.

Eine Linderung der Probleme trat 1913 mit dem Bau der neuen Knabenschule (Taut-Schule) und eine Lösung schließlich 1928 mit der Einweihung der Doppelturnhalle ein.

Zitate und Fakten: Niederlausitzer Anzeiger, Februar 1910, Stadt Finsterwalde Bauakte, Kreisarchiv EE, Bestand Finsterwalde Nr. 801