Die Einsetzung einer Kommission zur Zukunft der klimaschädlichen Kohlekraftwerke ist erneut verschoben worden. Der geplante Beschluss wurde am Mittwochmorgen überraschend wieder von der Tagesordnung des Bundeskabinetts genommen nachdem er erst am Dienstag auf die Agenda gekommen war. CSU-Chef Horst Seehofer soll bei Besetzungsfragen am Dienstagabend kein grünes Licht gegeben haben, weil er länger als geplant im Innenausschuss des Bundestags saß.
Aus Regierungskreisen hieß es, in der Sache sei man sich einig, es habe organisatorische Gründe für die Verschiebung gegeben. Eine Regierungssprecherin sagte, die Personalliste sei noch nicht ausgereift.
Vier Vorsitzende geplant
Die bisherige Liste sieht nach Informationen der Lausitzer Rundschau so aus: Den Vorsitz sollen sich Bahn-Vorstand Ronald Pofalla (CDU), Matthias Platzeck (SPD), Stanislaw Tillich (CDU) und die Volkswirtin Barbara Praetorius, früher Vize-Direktorin der ökologischen Denkfabrik Agora Energiewende teilen.
Wodtke und Herntier dabei
Die weiteren Mitglieder kommen als Vertreter von Industrie- und Umweltverbänden, Gewerkschaften, Kommunen und aus der Wissenschaft. Aus der Lausitz soll neben Christine Herntier, Bürgermeisterin von Spremberg und Sprecherin der Lausitzrunde, auch Hannelore Wodtke in dem 23-köpfigen Gremium einen Sitz bekommen. Wodtke sitzt für die Wählervereinigung Grüne Zukunft Welzow im Welzower Stadtrat. 2017 kandidierte sie für die Bürgermeisterwahl im Ort und bekam 6,9 Prozent der Stimmen. Aus dem Rheinischen Braunkohlerevier sollen ebenfalls ein Landrat und die Vertreterin einer Bürgerinitiative vom Rande des Tagebaus Hambach Mitglieder werden.
Die bisher geplante Teilnehmerliste nach RUNDSCHAU-Informationen:
Prof. Dr. Jutta Allmendinger - FU Berlin
Antje Grothus - Bürgerinitiative "Buirer für Buir"
Christine Herntier - Sprecherin Lausitzrunde
Martin Kaiser - Geschäftsführer Greenpeace
Stefan Kapferer - Bundesverband Energie- und Wasserwirtschaft
Prof Dieter Kempf - Präsident Bundesverband der Deutschen Industrie
Stefan Körzell - Deutscher Gewerkschaftsbund
Ingo Kramer - Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände
Michael Kreuzberg - Landrat Rhein Erft Kreis
Felix Matthes - Ökoinstitut
Claudia Nemat- Telekom
Kai Niebert - Universität Zürich
Annekatrin Niebuhr - Uni Kiel
Reiner Priggen -Landesverband EEG NRW
Katherina Reiche - Verband kommunaler Unternehmen
Gunda Röstel - Geschäftsführerrin Stadtentwässerung Dresden
Andreas Scheidt - Verdi
Hans Joachim Schellnhuber - Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung
Eric Schweitzer - Deutscher Industrie und Handelskammertag
Michael Vassiliadis - IG Bergbau, Chemie, Energie
Ralf Wehrspohn - Fraunhofer Institut für Mikrostruktur von Werkstoffen
Hubert Weigner - BUND
Hannelore Wodtke - Grüne Zukunft Welzow
Die Kommission Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung soll bis Ende 2018 ein Enddatum für den Kohleausstieg festlegen. Außerdem geht es um Perspektiven für neue Arbeitsplätze in den besonders betroffenen Braunkohlerevieren in der Lausitz und im Rheinland.
Kommission soll vor den Sommerferien starten
Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Donnerstag), die Kommission werde vor den Sommerferien starten. Mir ist wichtig, dass wir den Kohleausstieg zügig einleiten, um die Klimaziele zu erreichen.
Um die Besetzung und den genauen Auftrag der Kommission gibt es seit Wochen Streit. Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer warf dem federführenden Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) vor, für das Chaos verantwortlich zu sein. Grundsatzfragen eines Kohleausstiegs in eine Kommission zu verlagern, ist an sich schon Ausdruck von politischer Schwäche, sagte Krischer dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).
Grünen-Chefin Annalena Baerbock sagte: Erst fehlt der großen Koalition der Mumm, selbst über den Kohleausstieg zu entscheiden, und sie verlagert das in eine Kommission. Und jetzt hat sie sogar Angst vor der Entscheidung über die Kohlekommission selbst.
Woidke warnt vor raschem Ausstieg
Wie hart die Konflikte in der Kommission werden, zeigte sich am Mittwoch im Brandenburger Landtag. Während Grüne und Umweltschützer einen raschen Kohleausstieg fordern, da immer mehr Ökostrom und Gaskraftwerke das Land mit ausreichend Energie versorgen können und bis 2022 auch noch Atomkraftwerke am Netz sind, ist Brandenburgs Regierungschef Dietmar Woidke (SPD) gegen ein konkretes Enddatum.
Jedes vorgezogene Ausstiegsdatum würde einen geordneten Prozess in der Region torpedieren, sagte Woidke am Mittwoch in der Aktuellen Stunde des Potsdamer Landtags. Dies würde die Lausitz in eine ökonomische und soziale Krise stürzen. Beim Steinkohleausstieg sei erst nach 30 Jahren die letzte Zeche geschlossen worden. Wenn wir über Strukturentwicklung reden, wenn wir über den Ersatz von zehntausenden Arbeitsplätzen reden, kann das kein Prozess sein, der in fünf oder zehn Jahren abgeschlossen sein würde.
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